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länglich genug, einmal niederträchtig zu sein; eine Repe¬
tition wäre ganz zwecklos und unvernünftig. Sie müssen
also niedriger sein als das niedrigste und unterste Wesen
auf der Erde. Das niedrigste Leben und Wesen bei uns ist
z. B. das Leben der Steine, das elementarische, mechanische
Sein usw., ein Leben, das ebendeswegen viele Anstand
nehmen noch Leben zu nennen. Sind also die lebenden
Wesen da oben noch niedriger als das niedrigste Wesen der
Erde, so hören sie ebendamit auf, lebendige zu sein, man
müßte denn allenfalls selbst noch den Tod als eine Stufe
des Lebens, das Nichtsein als einen Grad des Seins an-
nehmen. Es bleibt nun nur noch der dritte Fall als ein
möglicher übrig, daß auf den Himmelskörpern vollendetere,
höhere Wesen, höhere Grade und Stufen des Lebens sind
als auf der Erde. Zu bezweifeln ist es allerdings nicht, daß
man sich noch höhere Wesen vorstellen, d. h. einbilden,
kann — denn die Einbildung ist eben grenzen- und darum
vernunftlos —; aber ob diese eingebildeten Wesen woanders
noch existieren als in der Einbildung und ob diese einge-
bildet höhern Wesen wirklich höher1 sind, das ist eine Frage,
die man ohne Zweifel, wenn man den Schranken und Ge-
setzen, die die Wirklichkeit, die Vernunft und Wahrheit
vorschreiben, folgt, verneinend beantworten muß. Denn
jene Einbildung ist eben auch weiter nichts als eine Ein-
bildung und darum, wie in ihren Folgen , so in ihrem Grunde
vernunftlos. Denn wenn man einmal den Menschen, die
wirkliche Grenze der individuell lebendigen Wesen, über-
schreitet, so ist jede Grenze, die gesetzt wird, nur eine will-
kürlich angenommene, eingebildete Grenze. Aus demselben
Grunde, aus welchem die Einbildung über den Menschen als
ein Endliches hinausgeht, muß sie über die andern fingierten
höhern Wesen hinausgehen, und es entsteht so eine endlose
Reihe von vollkommneren und wieder vollkommneren
und abermals vollkommneren Wesen bis ins Unendliche
fort. Denn jede Stufe, die als letzte fixiert würde, wäre
ja immer noch eine Grenze, die daher wieder von der
grenzenlosen Einbildung aufzuheben ist; das Maß kann
nicht voll werden, es kann nur ein maß-, ziel-, end- und
gesetzloses und darum geist-, Vernunft-, zweckloses Fort-
1 höhere H
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften