Seite - 281 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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das bloße Dasein, die sinnliche Einzelheit, das1 lebendige
Individuum das Letzte und Absolute ist, sich eingerichtet
hat. Wäre sie in dem Sinne lebenslustig, wie du dir es
einbildest, so hätte sie dann gewiß das Leben separiert,
zerstreut und 2 verteilt, jeder besondern Tier- und Pflan-
zenspecies einen besondern Weltkörper, jedem einzelnen
Menschen aber, der doch in seiner Einzelheit ein viel um-
fassenderes, bedeutungsvolleres und freieres Dasein hat als
eine Tier- oder Pflanzenspecies, einen eignen Weltkörper
für ihn allein bestimmt und eingeräumt. Diese Einrichtung3
wäre gewiß zweckmäßiger als die jetzige, wo das feind-
liche, sich gegenseitig zerstörende Leben so zusammenge-
drängt und aufeinander gehäuft ist. Wie vorteilhaft wäre
diese Einrichtung! Der Tod, dieser sonderbare und be-
denkliche Umstand in der Natur, ein Umstand, der, genau
erwogen, alle Hoffnung dir raubt, daß noch andere Wesen
auf andern Weltkörpern sind, würde dann unstreitig aus
der Schöpfung verschwinden.4 So ein für sich selbständiger,
eine eigne Welt bewohnender, so ein absoluter Mensch
würde nie sterben; stirbt ja doch der Mensch nur durch
den Menschen, nur deswegen, weil er sowohl getrennt als in
wesentlicher Verbindung zugleich mit andern ist und lebt;
ist ja der Tod nur da, wo ebensowohl Einheit als Unter-
schied ist. Wenn der Staat, folglich die Weltgeschichte —
denn der Ursprung des Staates ist der Ursprung der Welt-
geschichte —, wenn5 Sprache, folglich auch5 Vernunft durch
Übereinkunft entstanden ist, warum sollte nicht auch der
Tod ein Produkt der Geselligkeit, Übereinkunft, der mensch-
lichen Gesellschaft selbst sein, warum sollte nicht auch
er6 in dem Contrat social [Gesellschaftsvertrag] seinen Grund
haben? Auch die Pflanzen und Tiere haben ja untereinander7
die Verabredung und Übereinkunft getroffen, daß eins dem
andern Platz macht, der Eintritt des einen ins Leben durch
den Austritt des andern aus dem Leben bedingt ist. So eine
1 dieses B
2 zerstreut und Fehlt in B.
; ! „Einrichtung" B
'' Wie vorteilhaft . . . verschwinden. Fehlt in B.
5 In B folgt Zusatz: die
(1 ein Produkt . . . auch er Fehlt in B,
7 In B folgt Zusatz: gleichsam
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften