Seite - 300 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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einst real, träte er in den Zusammenhang einer künftigen
realen Welt, so würde eben die Realität und Wirklichkeit
desselben eine Schranke und Grenze deines Wunsches
[sein]1; als wirklicher Körper widerspräche er sichj wie
er nur gewünschter2 ist, er wäre nicht mehr sentimental
wie der Seufzer, leicht wie die Einbildung, gasartig und
dunstförmig3. Jener Nicht-selbst-Körper; sondern Seufzer
und Wunsch von einem Körper soll, darf und kann ja nur
Wunsch und Einbildung sein; warum treibst du daher
solche sonderbare[n] Späße, daß du die Existenz desselben
erst von dem Tode des organischen Körpers an datierst?4
Wie es sich mit der Schwere und der Materie, ebenso
verhält es sich mit der Teilbarkeit. Der organische Leib
kann verstümmelt werden, es können ihm Glieder, Arme,
Beine usw. abgerissen werden, aber wenn ein Glied nicht
da ist, ist diese Abwesenheit nicht Fehler, Mangel? Mangel,
Fehler ist ein Nichtsein, das nicht sein soll, es mangelt;
weil es nicht mangeln soll, oder nur was nicht mangeln
soll, ist, wenn es mangelt, ein Mangel. Es mangelt, weil
es mit dem, welchem es mangelt, wesentlich verbunden ist,
wesentlich zu ihm gehört; und weil es wesentlich zu ihm
gehört, die Einheit dessen, was mangelt, mit dem, welchem
es mangelt, allein sein soll, allein das dem Wesen und der
Wahrheit Gemäße ist, so soll das, was abgeht, nicht abge-
hen und ist eben5 in diesem Widerspruch des Seins und
des Nichtseinsollens ein Mangel. Mangel ist daher nicht
in einer reinen Privation, einer puren Abwesenheit, sondern
da, wo das, was abgeht, wesentlich noch mit dem, wrelchem
es abgeht, zusammenhängt oder identisch ist, d. h., wo der
Mangel in der wahren Natur und dem innern Wesen dessen;
worin er ist, zugleich aufgehoben ist. Mangel und Fehler
setzt Mangelloses, Vollkommnes voraus. Wenn deinem Kör-
per die Augen fehlen, warum ist es ein Mangel, als weil
der Mangel, der in diesem deinem Leibe ist, im orga-
nischen Körper selbst, welcher das Wesen und die Natur
1 So ergänzt auch B.
2 In B folgt Ztisatz: und eingebildeter
; ; wie die . . . dunstförmig: und frei wie der Wunsch, unbe-
schränkt wie die Phantasie B
4 In A und B folgt Leerzeile vor dem nächsten Absatz.
5 In A B: oben; Druckfehler.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften