Seite - 548 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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Es ist freilich ein herrliches Vergnügen, den schönen
Rheinstrom des Lebens auf dem Dampfboote des Leibes
hinunterzufahren, bei einem guten Glas Wein, in ange-
nehmer Gesellschaft, vorausgesetzt, daß es gutes Wetter ist,
und nun so Gegenden für Gegenden, Städte für Städte,
Menschen für Menschen vorüberziehen zu sehen. Aber wie
bedeutungslos ist die Fahrt, wie leer und eitel das Ver-
gnügen, wie jeder Tag ein verlorner, wenn wir uns nicht
wenigstens einige Stunden täglich von der Gesellschaft ab-
sondern, die schönsten und interessantesten Partien von
den vorübergehenden Erscheinungen auf dem Papiere fixie-
ren und die Zeichnungen mit der Angabe der nötigsten,
wissenswürdigsten Umstände begleiten, um unsern Kindern,
die daheim bleiben mußten, wenn wir nach Hause kommen,
das belehrende Vergnügen zu bereiten, jetzt wenigstens unsre
Quasi-Reisegefährten sein zu können.
Das Leben ist eine hohe Militärperson; es hat ein martia-
lisches Aussehen, ist aber dessenungeachtet besonders in
Damengesellschaften gern gesehen, trägt einen gewaltigen
und zugleich mit den köstlichsten Diamanten besetzten
Degen an der Seite; die Brust ist übersäet mit Ehren-
kreuzen und Sternen, eine wahre Milchstraße von Orden;
die Zeichen seines Standes und seiner hohen Würde sind
zu aller Welt Schau an dem Putzladen seiner Uniform aus-
geschlagen ; schon von weitem erkennt man aus dem Glänze
das Wesen, das da kommt; alle Augen sind auf den stolzen
Krieger gerichtet, und aus der Ferne schon zieht der Haufe
demütig den Hut ab vor dem großen Manne, dem gewaltigen
Herrn, wie er ihn nennt. Das Buch dagegen ist ein wahrer
Gelehrter, in einem prunklosen, einfachen Habit; man
sieht's ihm nicht von außen an, was er ist: seine Verdienste
werden nicht belohnt, aber sie sind auch unbelohnbar; er
ist geringgeschätzt von dem großen Haufen; seine besten,
universellsten, ins Rad der Weltgeschichte mächtigst ein-
greifenden Arbeiten macht er nur bei der Nacht im stillen,
von niemandem1 wahrgenommen als höchstens einem Nach-
barn 2, der sich besonders für ihn interessiert; sein Leben
1 Im Original AjB: niemanden Hier berichtigt nach C.
2 Nachbar C
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften