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Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
Seite - 612 -
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gültigen appellatio per saltum [Berufung durch Übersprin- gen] im freien Fluge des Geistes sich über die Grenzen der unmittelbar nächsten Umgebung hinwegzusetzen, die die meisten Menschen, ohne daß sie es wissen, zeitlebens mit Zentnerschwere daniederdrückt. Und viele auch schon zu Schriftstellern herangereifte Menschen hätten doch nie eine solche Tiefe, Erhabenheit und Stärke des Geistes entwickelt, wenn sie nicht auf den Besitz irgendeines ihren Neigungen und Wünschen als Menschen entsprechenden Gegenstands hätten Verzicht leisten müssen. Petrarca würde nicht Petrarca geworden sein, wäre der Gegenstand seiner Liebe nicht für ihn ein unerreichbarer geblieben. Der Gewinn für den Menschen wäre ein Verlust für den Dichter gewesen. Was zum Nachteil des Menschen geschieht, geschieht nur zu oft zum Vorteil des Schriftstellers. Aber was sind auch die Leiden des Herzens gegen die Herrlichkeiten des Geistes! Die Seele des Menschen ist das, was er als das Wahre und Höchste in sich erkennt und erfährt, was seine Art, die Dinge zu beurteilen, zu sein, zu leben und zu wirken be- stimmt. Diese seine Seele legt der Schriftsteller in seinen Büchern nieder. So lehrreich und interessant es daher auch für uns ist, einen großen Schriftsteller in den gewöhn- lichen Lebensverhältnissen und im persönlichen Umgang kennenzulernen, so dürfen wir doch nie vergessen, daß wir seine wahre höhere geistige Persönlichkeit allein in seinen Schriften besitzen; denn in ihnen gibt er, abgesondert von allen grob irdischen Ingredienzien, den reinen Goldbestand seines Geistes. Im Leben ist der Schriftsteller gleichsam nur im Raupen- oder Puppenzustande, aber in seinen Schriften der freie, den Reichtum und die Schönheit seiner Natur ungebunden entfaltende Schmetterling. Mit Recht sind daher so manche für ihre kindische Neugierde, große Schriftsteller auch persönlich kennenzulernen, empfindlich bestraft worden. Kant z. B. sprach, wenigstens in seinen späteren Jahren, wenn er besucht wurde, statt von philo- sophischen Gegenständen, von den besten neusten Mitteln, die Wanzen zu vertreiben. Albertus Magnus verwies seine Schüler, wenn sie zu ihm kamen, um Fragen an ihn zu stellen, auf seine Schriften mit den Worten: „Fragt Albertum in seinen Büchern." Ja, Goethe gesteht sogar, 612
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Ludwig Feuerbach Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
Titel
Ludwig Feuerbach
Untertitel
Gesammlte Werke
Band
1
Herausgeber
Werner Schuffenhauer
Verlag
AKADEMIE-VERLAG BERLIN
Datum
1981
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
11.6 x 17.8 cm
Seiten
468
Kategorie
Geisteswissenschaften

Inhaltsverzeichnis

  1. Gedanken über Tod und Unsterblichkeit 175
    1. Vorsprüche 177
    2. Demütige Bitte 179
    3. Vorwort des Herausgebers 180
    4. Einleitung 183
      1. I. Gott 203
      2. II. Zeit, Raum, Leben 241
      3. III. Geist, Bewußtsein 318
      4. IV. Reimverse auf den Tod 360
      5. V. Schluß 388
      6. VI. Anhang: Xenien 407
  2. Der Ursprung des Bösen nach Jakob Böhme 517
  3. Abälard und Heloise oder Der Schriftsteller und der Mensch 533
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