Seite - 10 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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10 Frank Stern · Barbara
Eichinger0
Steven Bell
schungen“ angespielt, besonders was Juden und Nichtjuden in Mitteleuropa betrifft.
Es kommt ganz stark – wenn auch verallgemeinernd – der jüdische Emanzipations-
gedanke zum Ausdruck. So sagt Musotte zu ihren adeligen Mitschülerinnen (in Brüs-
sel) :
„Ihr glaubt wohl, ihr seid aus besonderem Holz,
Weil euere Ahnen so fein,
Seid ihr nur auf euere Vorfahren stolz,
Ich will’s auf die Nachkommen sein !“
Was wichtig ist, sagt Bruder Leichtsinn, liegt nicht in der Vergangenheit mit allen
ihren Diskriminierungen, Privilegien, Rassedenken und Vorurteilen, sondern in einer
Zukunft, in der Liebe, Intelligenz und guter Charakter die Hauptwerte sein werden.
Diese Operette ist eine Vorwegnahme anderer Lieder in amerikanischen Musicals
wie „You’ve got to be carefully taught“ von South Pacific (1949), die stark gegen den
Rassismus protestieren. Es sei bemerkt, dass Grünwalds Sohn, Henry Grunwald,
amerikanischer Botschafter in Wien wurde und seine Enkelin Mandy Grunwald als
politische Konsulentin für die Demokraten zu Bill Clintons Wahlerfolg als Präsident
beigetragen hat.
Es gibt eine parallele Nebenhandlung in der Operette über eine Liebesaffäre zwi-
schen Nelly, einer (deutschen) Wienerin, und Ernst Wondraschek, einem „Böhm“.
Weil Ernst Tscheche ist, verweigert Nellys Vater die Heirat des Paares. Bruder Leicht-
sinn ermuntert Nelly gegen dieses Verbot zu protestieren mit der Begründung, „daß
ein bißchen Leichtsinn zum Glück gehört, das sollten Sie als Wienerin doch wis-
sen“. Dieser Appell an den mythisch leichtsinnigen, offenherzigen und großzügigen
Wiener Charakter war auch nicht ganz umsonst. Brammer und Grünwald wurden
in der Zwischenkriegszeit mit Schlagern aus Gräfin Mariza und Die Zirkusprinzessin
berühmte und erfolgreiche Figuren der Wiener Operettenwelt und trugen viel zur
österreichischen Identitätsbildung der Zwischenkriegszeit bei. Es gibt eine Karikatur,
die die beiden als Skulpturen zeigt, stolz auf einem Sockel stehend, an dem unten ein
leicht variierter Satz von Grillparzer steht : „In eurem Lager ist Österreich.“
Juden haben nicht nur an der Wiener Kultur der Zwischenkriegszeit mitgewirkt,
sondern auch an der lokaleren Identitätsbildung des touristischen und „alpinen“ Ös-
terreich. Ob hier die Salzburger Festspiele eingeordnet werden dürfen, ist fraglich,
Ebd., S. 21.
Ebd., S. 65.
Ebd., Siehe auch : Martin Lichtfuss, Operette im Ausverkauf, Wien 1989, S. 296.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519