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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 26 -
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Seite - 26 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Frank Stern · Barbara EichingerEleonore Lappin war in Galizien noch mit dem Kult des „guten alten Kaisers“ [Franz Joseph] aufge- wachsen. Nach dem Krieg wies sie ihr Vater auf das Elend hin, welches der vom Kaiser verschuldete Krieg in Wien verursacht hatte : „Wenn man mich Jahre später fragte, wie lange ich denn schon Sozialistin sei, antwortete ich manchmal : ,Seit meinem elften Lebensjahr, denn damals habe ich zum ersten Mal bewusst einen Blick in den Abgrund getan, in dem Menschen unbehaust leben mussten.‘“ Die Hungersnot des letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsjahrs verschonte auch bürgerliche jüdische Familien nicht. Der mit Schokolade bestreute Reispudding der amerikanischen Ausspeisung für unterernährte SchülerInnen ist daher ebenso in zahlreichen Autobiografien zu finden wie die Hilfsaktion Hollands, der Schweiz, Dänemarks und anderer skandinavischer Länder, wo 1919/1920 Wiener Kinder oft monatelang bei Familien zum Aufpäppeln aufgenommen wurden. 9 Später stürzten die Wirtschaftskrise und die große Arbeitslosigkeit unzählige jüdische Familien ins Elend, wie Josef Hindels (geb. 1916) schreibt : „Die Erinnerung an meine Kindheit und Jugend ist unlösbar verbunden mit dem schmerzlichen Gefühl des Hungers. […] Das Elend, in dem meine Familie lebte, war selbst für die zwanziger und dreißiger Jahre bemerkenswert.“ 0 Ohne von einer solchen Not betroffen zu sein, berichten die meisten AutorInnen, dass ihre Familien ihren bürgerlichen Lebensstil nur mit gewissen Abstrichen auf- rechterhalten konnten. Die meisten blieben in ihren Wohnungen, erwachsene berufs- tätige Kinder zogen erst aus, wenn sie heirateten. Auch dann war es nicht unüblich, dass die Eltern oder Großeltern entweder in eine kleinere Wohnung zogen oder dem jungen Paar zwei Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung stellten. Der Anteil der mitverdienenden Ehefrauen nahm in allen Schichten zu. Die Zahl der Dienstboten wurde reduziert, doch ganz verzichteten bürgerliche Familien nicht auf Hausgehil- finnen. Nach Möglichkeit fuhr man auch auf Sommerfrische, doch wurde sie kürzer, und bisweilen bestand sie in Besuchen bei auf dem Land lebenden Verwandten, was nicht selten Auslandsaufenthalte in der Tschechoslowakei, in Polen oder in Ungarn – oder eben in einem Haus am Stadtrand Wiens bedeutete. Minna Lachs, Warum schaust du zurück. Erinnerungen 1907–1941, Wien, München, Zürich 1986, S. 94. Vgl. z. B.: Ebd., S. 95 ; Wachstein, Hagenberggasse 49, S. 38. Siehe z. B.: Anny Robert, Herrlich ist’s in Tel Aviv – aus der Wiener Perspektiv’. Erinnerungen, hg. von Da- niela Ellmauer, Miguel Herz-Kestranek, Albert Lichtblau, Wien, Köln, Weimar 2006, S. 22–46 ; Simon, Augenzeuge ; S. 23–31, Jahoda, Ich habe die Welt nicht verändert, S. 27. 0 Vgl.: Josef Hindels, Autobiografie, Typoskript, o. J., S. 3, publiziert : Josef Hindels, Erinnerungen eines linken Sozialisten, hg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), Bund sozialdemokratischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus, Redaktion : Christa Mehany-Mitter- rutzner, Wien 1996.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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