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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 57 -
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Seite - 57 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Antisemitismus 1900–1938 phase in den 1880er und 1890er-Jahre schien der christlichsoziale Antisemitismus in der ideologischen Präsenz zurückgerückt und stand nicht mehr als Skandalisierungs- mittel derart zentral im Vordergrund. Im Bereich der Skandalisierung agierte nach 1918 nun die extreme Rechte mit ihrer Radikalisierung des Antisemitismus und der Bereitschaft, politisch kriminelle Gewalt als legitimes Mittel zur Bekämpfung der jüdischen Bevölkerung anzusehen. Da die Christlichsozialen aus Sicht überzeugter Antisemiten real wenig zur eingeforderten „Lösung der Judenfrage“ beigetragen hat- ten, gewann in Phasen ökonomischer und politischer Krisen die radikalere politische Option der Nationalsozialisten an Glaubwürdigkeit. Nochmals zur Sozialdemokratie, die von 1918 bis 1934 das politische Gefüge der Stadt dominierte. Da die Partei offen für jüdische Aktivisten war, geriet sie den Antise- miten gegenüber in eine defensive Position. Die antisemitischen Untergriffe sollten durch Kritik an negativen jüdischen Personen und Typen kompensiert werden. Der Kampf gegen den Antisemitismus gehörte nicht unbedingt zur Agenda der Partei, im Gegenteil, sie signalisierte immer wieder Verständnis für antijüdische Haltungen, sei es für die Aversion gegenüber „reichen Juden“, jüdischen „Schiebern“ und „Speku- lanten“. Mit ihrer Ostjudenfeindschaft – z. B., die Ostjuden seien nicht „die einzigen Menschen, die als Parasiten im Körper der Volkswirtschaft nisten“ – bediente die Sozialdemokratie das Motiv der „Fremdheit“. Ihre Sprache war anfällig für xeno- phob-antisemitische Sprachmuster, etwa durch die Übernahme der Begriffe „arisch“ oder „Judenstämmling“. Die Zurückhaltung der Sozialdemokratie, wenn es um die Verteidigung der jüdischen Bevölkerung ging, lag wahrscheinlich im politischen Kal- kül, denn mit einem Anti-Antisemitismus waren kaum Wählerstimmen zu gewinnen. Eine antisemitische Grundhaltung und eine sozialdemokratische Stimmabgabe stan- den somit nicht unbedingt im Widerspruch. Der Austrofaschismus kriminalisierte und vertrieb die sozialdemokratische Führung, was zu einem völligen Erliegen des Anti-Antisemitismus führte. Dass Personen wie Irene Harand gegen den Rassismus auftraten, zeigt zwar ihren individuellen Mut, aber auch die gesellschaftspolitische Bedeutungslosigkeit antirassistischer Haltungen. Österreich entwickelte sich nicht losgelöst vom europäischen Kontext. Die demo- kratische Option büßte in Europa immer mehr an Rückhalt ein, und mit dem Austro- faschismus reihte sich Österreich in die Faschisierung des Kontinents ein. Für Min- Oliver Rathkolb, „,Im Lichte der Thatsachen …‘. Sozialdemokratische Politiker jüdischer Herkunft zwischen Assimilation und Antisemitismus“, in : Das Jüdische Echo. Zeitschrift für Kultur und Politik, 38/1989, S. 100–105. Christoph Hinteregger, Der Judenschwindel, Wien 1923, S. 70. Christian Klösch, Kurt Scharr, Erika Weinzierl, „Gegen Rassenhass und Menschennot“. Irene Harand – Le- ben und Werk einer ungewöhnlichen Widerstandskämpferin, Innsbruck, Wien, München, Bozen 2004.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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