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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Seite - 60 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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0 Murray G. Hall Massenversammlung vor dem Rathaus war, so die Reichspost, „der letzte Versuch, die Abschaffung der vielen Zehntausende ausländischer Schmarotzer aus dem hungern- den Wien auf gütlichem Wege zu erreichen“. Die Regierung wäre am Zug : „Wenn sie ehrfürchtig vor jedem Kaftan in die Knie sinkt und wartet, bis die bodenständige Bevölkerung, der von Ausländern das Brot weggefressen und die Wohnräume wegge- nommen werden, im Elend verkommt und ihre Kinder zugrunde gehen, dann darf sie sich nicht wundern, dass selbst in der so gemütlichen Wiener Bevölkerung Stimmun- gen platzgreifen, die ihr und den Juden, den Judenschutzparteien und angeblich auch den Ententemissionen nicht gefallen. Man räume die Steine des Anstoßes aus dem Weg, man schaffe die vielen ausländischen Schmarotzer […] endlich ab.“ Man wollte sich gegen die „Judenherrschaft“ wehren und vor allem die Ostjuden loswerden. Die „Rettung Wiens“ war auf dem Spiel, so hieß es. Die „Juden“ waren an allem schuld, die Regierung war gefordert. Nachsatz : „Wir müssen die Presse, welche die Christen so frech verhöhnt und besudelt, aus den Christenhäusern hinauswerfen. Nicht nur die ausländischen Juden sollen unser darbendes Wien endlich räumen müssen, auch ihre Lügenpresse […] soll aus Christenfamilien und Christenhänden verbannt werden.“ Da die Volkshalle an diesem Sonntagabend überfüllt war, versammelte sich „eine viel- tausendköpfige Menge“ auch auf der großen Rathaustreppe. Einzelne Bezirksgruppen des Antisemitenbunds kamen mit Tafeln, auf denen man u. a. lesen konnte : „Hinaus mit den jüdischen Flüchtlingen !“, oder „Wir wollen eine demokratische, aber juden- freie Republik !“. Der Volkszorn galt auch angeblich „judenfreundlichen“ Zeitungen wie etwa dem Abend und dem Neuen Wiener Journal. „Kein Christ darf mehr ein solches Schandblatt kaufen !“, lautete die entsprechende Losung. Das wehrhafte Christentum wurde auch aktiv. „Gegen die Judenwirtschaft“ – so heißt ein Artikel tagsüber ebenfalls in der Reichspost – fand wiederum eine Massen- versammlung auf der Landstraße im dritten Wiener Gemeindebezirk statt, diesmal vom Katholischen Volksbund organisiert. Kooperator Schmid führte das „Arbeits- programm“ aus : „Die innere Uneinigkeit hat das christlich-deutsche Volk allmählich und ahnungslos in die Gefolgschaft des Judentums (Presse, Banken, Börse) gebracht und mit jüdischem Geiste durchsetzt. […] Da nun das ganze deutsche Volk durch das unerträglich gewordene Joch der jüdischen Fremdherrschaft Front zu machen beginnt, versuchen es dieselben Führer christlich-deutscher Volksteile mit den im Umsturz erprobten Schlagern von ‚Monarchisteln‘ zu hintertreiben. Wir gehen aber ohne monarchistisches Sehnen und ohne Pogromgelüste zu Antisemitenkundgebun- Zum Vergleich : in Mein Kampf (1925) sah Adolf Hitler – neben den Freimaurern – die Presse als „zweite Waffe im Dienste des Judentums“, in : Adolf Hitler : Mein Kampf. Zwei Bände in einem Band, München : Zentralverlag der nsDaP, frz. Eher Nachf. 305.–306. Aufl., 1938, S. 345.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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