Seite - 81 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Generationenkonflikte 1
Bedingung für die Mitgliedschaft und für eine Einwanderung nach Palästina machte.
Die „Hachschara“ bedeutete zugleich eine ideologische Ausrichtung im zionistischen
Sinn und schloss sogenannte „Tarbut-Arbeit“ (jüdische Kulturarbeit) mit ein.
Viel stärker als im Westen war die ostjüdische Jugendbewegung – in Galizien,
Russland und der Bukowina – schon in ihren Anfängen durch eine sehr konkrete
Haltung zur Übersiedlung nach Palästina und zur Umschichtung geprägt. Die in Ös-
terreich zu Beginn der Zwanzigerjahre geschaffene Zweigorganisation des „Hechaluz“
war, zumindest anfangs, weniger eine Institution für österreichische als vielmehr für
junge osteuropäische Jüdinnen und Juden, die Österreich nur als Durchgangsstation
betrachteten und hier ihre „Hachschara“ absolvierten – meist in Form von bezahlter
Saisonarbeit. Die eigentliche Mitgliedschaft des österreichischen Landesverbandes
„Hechaluz“, dem 1934 rund 500 Personen angehörten, rekrutierte sich großteils aus
Kindern osteuropäischer Einwanderer.
Willy Ritter, der von 1936 bis zu seiner Auswanderung im Frühjahr 1939 General-
sekretär der österreichischen Organisation war, beschrieb diese in einem Interview
mit der Verfasserin so : „Wer auswandern wollte, musste arbeitsfähig sein – es gab
entsprechende ärztliche Untersuchungen – und eine Mindest-Hachschara absolviert
haben. In Österreich gab es einerseits landwirtschaftliche Hachschara-Plätze, meist
in der Umgebung von Wien bei jüdischen Gutsbesitzern, die Saisonarbeiter beschäf-
tigten. Die meisten dieser jüdischen Saisonarbeiter kamen aus Osteuropa, weil es in
Österreich nicht genug Interessenten gab. Das Leben war gemeinschaftlich organi-
siert, als Vorbereitung für den Kibbuz, und die ‚Kupa‘, die Kasse, wurde gemeinsam
geführt. Meist war die Arbeit nach einem halben Jahr beendet, aber die Leute wollten
nicht mehr nach Hause zurückkehren, sondern auf die Einwanderung nach Palästina
warten. Vor diesem Hintergrund wurden die Stadt-Kibuzzim gegründet, von denen
es mehrere in Wien, den größten in der Haasgasse im zweiten Bezirk, und einen in
Graz gab. Manche Leute wohnten ständig dort und warteten, bis sie ein Zertifikat be-
kamen. Sie arbeiteten in der Stadt als Hilfsarbeiter bei jüdischen Baumeistern, Elekt-
rikern, in Fabriken oder als Anstreicher.
In den Dreißigerjahren wurde die Zahl der Zertifikate immer geringer, wegen der
Unruhen in Palästina und weil nach der Machtergreifung Hitlers mehr Zertifikate
nach Deutschland geschickt wurden. Außerdem hatte der österreichische ‚Hechaluz‘,
verglichen mit Osteuropa, nur sehr wenige Mitglieder. Zwischen 1930 und 1938
sind, so schätze ich, maximal 80 aus Österreich stammende Chaluzim nach Palästina
gekommen.“
Interview Gabriele Anderl mit Willy Ritter, Haifa 1989 (archiviert im Dokumentationsarchiv des öster-
reichischen Widerstandes, DÖW).
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519