Seite - 97 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Generationenkonflikte
Nach dem „Anschluss“
Mit dem „Anschluss“ änderte sich die Situation im Hinblick auf die Auswanderung
nach Palästina qualitativ und quantitativ vollständig : Angesichts der Vertreibungs-
politik der Nationalsozialisten wurde Palästina zu einem wichtigen, für viele aller-
dings beliebigen Fluchtziel. Bereits im Zusammenhang mit der Einwanderung aus
dem nationalsozialistischen Deutschland war in Palästina ein Witz kursiert : „Kom-
men Sie aus Überzeugung ?“, fragte man bei der Ankunft. „Nein, aus Deutschland“,
war die Antwort. Die diesem Witz zugrunde liegende Wahrheit lässt sich auch auf
die Flüchtlinge aus Österreich übertragen.
Der „Hechaluz“ war, wie ausgeführt, vor dem März 1938 eine Pionierorganisation
mit einer vergleichsweise sehr geringen Mitgliederzahl gewesen. Danach erlebten die
zionistischen Bünde einen immensen Zulauf. Tausende Jugendliche schrieben sich,
großteils in der Hoffnung auf irgendeine Fluchtmöglichkeit, in einen Jugendbund,
vielfach sogar in mehrere gleichzeitig ein oder ließen sich für verschiedene Zielländer
registrieren.
Georg Überall, ein leitender Funktionär innerhalb des „Hechaluz“ und der „Ju-
gend-Alija“ in Wien, bangte angesichts dieser Situation um die ideologischen Prin-
zipien der Bewegung und stellte alarmiert fest, dass der „Hechaluz“ „nur noch ein
Reisebüro“ sei.
Die Generationenkonflikte, die bereits in der Zwischenkriegszeit ein Merkmal des
zionistischen Lagers in Österreich gewesen waren, drohten nun zu eskalieren – ging
es doch nun um lebensrettende Zertifikate. Schließlich gewannen in den heftigen
Auseinandersetzungen zwischen dem Wiener Palästinaamt und den einheimischen
Vertretern des „Hechaluz“ Letztere die Oberhand. Die Rückendeckung, die sie durch
die zionistischen Dachorganisationen in Palästina erhielten, spielte dabei eine zentrale
Rolle. Ihren Überzeugungen gemäß erhielt die Rettung der jüdischen Jugend absolute
Priorität. Jene Jugendlichen, die bereits vor 1938 in den „chaluzischen“ Organisa-
tionen und den linken zionistischen Bünden aktiv gewesen waren, wurde wiederum
innerhalb dieser Gruppe der Vorzug gegeben.
Die „Allgemeinen Zionisten“, darunter viele verdiente Altzionisten („Watikim“),
hatten das Nachsehen. Dies traf bis zu einem gewissen Grad auch auf die Jugend-
lichen aus diesem Lager zu. Willy Ritter nannte sie abfällig „Muttersöhnchen zionis-
tischer Advokaten“.
Shlomo Erel, Neue Wurzeln. 50 Jahre Immigration deutschsprachiger Juden in Israel, Tel Aviv 1983.
Siehe dazu : Anderl, Emigration und Vertreibung.
Zit. bei Anderl, Emigration und Vertreibung, Details zu diesen Konflikten siehe ebda.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519