Seite - 108 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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10 Dieter Hecht
Trennung von der Einheitsgemeinde und um die Gründung einer eigenen Gemeinde
ansuchte. Die Regierung lehnte dieses Ansuchen jedoch als Einmischung in interne
Angelegenheiten der Kultusgemeinde ab.
Zur Erforschung der orthodoxen Presse in Österreich hat Joseph Karniel mit einer
Auflistung von Artikeln aus der orthodoxen Presse zwischen 1918 und 1938 sowie
einer kurzen Einführung den bisher umfassendsten Beitrag geleistet. Anhand seiner
Arbeit wird deutlich, wie vielschichtig die orthodoxe Presse in inhaltlicher und ideo-
logischer Hinsicht in Österreich vor der Shoah war. Die umfangreiche journalistische
Tätigkeit wurde ausschließlich von Männern getragen. Frauen traten nur in Aus-
nahmefällen als Journalistinnen auf, wie z. B. Luise Farchy in der Freien Jüdischen
Lehrerstimme, dem Organ des „Österreich-Israelitischen Religionslehrerbundes“. In
der Jüdischen Presse erschienen aber immer wieder Artikel über Frauen, vor allem
zur Rolle der Frau in der Religion und über Mädchenerziehung. Hierbei handelte es
sich um Themen, die für die orthodoxe Gesellschaft zunehmend an Bedeutung ge-
wannen. Die weitgehende Absenz von Journalistinnen beruht auf dem Umstand, dass
das Zielpublikum orthodox war und Frauen als Autorinnen meistens nicht akzeptiert
wurden.
Für die Jüdische Presse war das zentrale Motto „Zurück zur Thora“. Dieses An-
liegen, die Rückkehr zum Glauben und zur traditionellen Lebensweise, steht auch
in Bezug auf die österreichische Innenpolitik im Vordergrund. So wurde z. B. nach
dem Bürgerkrieg vom Februar 1934 vor allem die religiöse Orientierung des neuen
Regimes positiv betont. Den Mitgliedern der Sozialdemokratie – ausgenommen der
Führungselite, die als Renegaten galten – wurde angeboten, zurück in die „religiöse
Heimat“ zu kommen. Gleichzeitig verwiesen die Herausgeber auf die geringe Be-
deutung der nichtjüdischen österreichischen Parteien im jüdischen Leben. Somit
arrangierte sich die Jüdische Presse mit dem neuen Regime. Die forcierte religiöse Aus-
richtung des öffentlichen Lebens und die Segregation zwischen Juden und Christen
waren im Interesse der Orthodoxie. Eine gänzliche Abkehr von der österreichischen
Politik fand jedoch nicht statt, denn die letzte Ausgabe der Jüdischen Presse in Wien
erschien am 11. 3. 1938 mit einem Aufruf von Kurt Schuschnigg, für die Volksab-
stimmung zu stimmen. 9
Freidenreich, Jewish Politics in Vienna, S. 158–164.
Vgl. Joseph Karniel, A Listing of Articles on Orthodox Jewry in Austria.
Freie Jüdische Lehrerstimme, 15.11.1920, S. 109–111.
In der Ausgabe vom 16.2.1934 wurde auf die politischen Ereignisse nicht eingegangen. Erst eine Woche
später wurde darüber berichtet. Die Jüdische Presse, 23.2.1934.
Die Jüdische Presse, 11.3.1938, S. 1.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519