Seite - 112 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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11 Dieter Hecht
Zeitschriften stellte ihr Erscheinen bis 1932 wieder ein. Als die bedeutendsten und
langlebigsten Neugründungen erwiesen sich die Neue Welt von Robert Stricker und
die Stimme, die vom Zionistischen Landeskomitee herausgegeben wurde. Beide er-
schienen bis zum Anschluss im März 1938. Strickers Neue Welt fungierte zeitweilig
auch als deutschsprachiges Sprachrohr der Revisionistischen Weltexekutive unter der
Leitung von Zeev Jabotinsky, womit die internationale Bedeutung der österreichi-
schen zionistischen Presse verdeutlicht wird. Die Berichterstattung über Ereignisse
in Palästina/Erez Israel hatte in den Dreißigerjahren, vor allem in der zionistischen
Presse, große Bedeutung.
Austrofaschismus
Am Vorabend des Austrofaschismus im Jahr 1932 hatte sich das jüdische Pressewesen,
zumindest was die Anzahl der Publikationen anbelangt, kaum geändert. Die Gründe
für die Stagnation dürften einerseits in der Wirtschaftskrise zu suchen sein und ande-
rerseits eine Krise des österreichischen Judentums widerspiegeln. Es existierten zwölf
jüdische Zeitungen. Hierbei handelte es sich ebenfalls ausschließlich um Periodika,
nämlich der Jüdische Arbeiter, B’nai B’rith Mitteilungen, Hechaluz, Menorah, Palästina,
Jüdische Front, Jüdische Presse, die Stimme, die Wahrheit, die Neue Welt, Wirtschaft,
Touristik und Wintersport im Sportclub Hakoah und Jüdischer Weg. Von diesen zwölf
Zeitungen waren neun, d. h. 75 %, der zionistischen Bewegung zuzurechnen, womit
sich die Dominanz zionistischer Zeitungen innerhalb der jüdischen Presselandschaft
verstärkte, und sie marktbeherrschend wurden. Die zionistischen Strömungen vertrie-
ben : Jüdischer Arbeiter, Hechaluz, Menorah, Palästina, Stimme, Neue Welt, Wirtschaft,
Touristik und Wintersport im Sportclub Hakoah und Jüdischer Weg. Den Nichtzionis-
tInnen standen die Wahrheit und die Jüdische Presse sowie die B’nai B’rith Mitteilungen
zur Verfügung. In politischer Hinsicht sind bis auf zwei Zeitungen, nämlich Jüdischer
Arbeiter und Hechaluz, alle dem Bürgertum zuzurechnen, womit sich die bürgerliche
Orientierung des österreichischen Judentums wie schon 1919 deutlich widerspiegelt.
Mit der Etablierung des Austrofaschismus veränderte sich das Leben für Juden und
Jüdinnen zunehmend. Ihre Position als Nichtchristen und -innen in einem Staat, der
Über die Berichterstattung zum Aufbau von Palästina/Erez Israel vgl. Eleonore Lappin, „Von der Heim-
stätte zum Judenstaat : Der Aufbau des jüdischen Palästina in der Wiener zionistischen Presse (1928–
1938)“, in : Susanne Marten-Finnis, Markus Winkler (Hg.), Die jüdische Presse im europäischen Kontext
1686–1990, Bremen 2006, S. 209–222.
Vgl. Dieter J. Hecht, „Frauenarbeit und Frauenrecht“, in : Lappin, Nagel (Hg.), Frauen und Frauenbil-
der, S. 161–175, S. 170f.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519