Seite - 118 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Bild der Seite - 118 -
Text der Seite - 118 -
11 Marcus G. Patka
Logen nicht als Mitglieder aufgenommen wurden. Plausibel klingt die Erklärung, die
B’nai B’rith habe sich inhaltlich weniger an Freimaurer- als an Odd Fellows-Logen
orientiert, die damals in Amerika aber im Gegensatz zu den Freimaurern keine Ju-
den aufnahmen. Ein wohl ausschlaggebender Anlass war der Pogrom in Damaskus
(„Damaskus-Affäre“) 1840, dem die jüdischen Gemeinden der usa aufgrund ihrer
ethnischen Zersplitterung tatenlos zusehen mussten. Diese in einer überparteilichen
Institution zu vereinen sowie für Aufklärung, Bildung und Wohltätigkeit und gegen
den Antisemitismus zu wirken, waren die ersten Ziele der B’nai B’rith. Ihre Devise
lautet „Wohltätigkeit, Bruderliebe, Eintracht“. Rasch findet der Bund auch in ande-
ren Ländern begeisterte Anhänger. Am 3. März 1883 konstituierte sich die Deutsche
Reichsgroßloge in Berlin. Die erste Loge auf österreichischem Boden wurde 1889
errichtet, sie trug den bezeichnenden Namen „Austria“, sie und alle weiteren mussten
sich jedoch nach außen hin „Israelitischer Humanitätsverein“ nennen, weil der Ter-
minus „Loge“ zu eng mit der noch verbotenen Freimaurerei verknüpft war. Es folgen
weitere Logengründungen : „Union“ (Pilsen 1892), „Solidaritas“ (Krakau 1892), „Bo-
hemia“ (Prag 1893), „Karlsbad“ (Karlsbad 1894), „Philantropia“ (Reichenberg 1894),
„Wien“ (Wien 1895), „Moravia“ (Brünn 1896), „Silesia“ (Troppau 1898), „Leopolis“
(Lemberg 1899), „Praga“ (Prag 1902), „Eintracht“ (Wien 1903), „Allianz“ (Budweis
1906), „Orient“ (Czernowitz 1911), „Freundschaft“ (Teplitz-Schönau 1912). Diese
fünfzehn Vereinigungen umfassten an die 1.700 Mitglieder und bildeten im globalen
Gefüge den X. Distrikt. Nach der Gründung der Ersten Republik wurden die Logen
auf österreichischem Gebiet am 15. November 1920 zum XII. Distrikt zusammen-
gefasst. 1929 zählte dieser an die 900 Mitglieder, aufgrund der Wirtschaftskrise dürfte
die Zahl danach gesunken sein.
In der Zwischenkriegszeit kamen noch die Logen „Wahrheit“ (Wien 1919),
„Massadah“ (Wien 1920), „Ehrmann“ (Linz 1922) und „Graz“ (Graz 1928) hinzu.
Die wichtigsten Großpräsidenten sind Univ.-Prof. Hofrat Dr. Salomon Ehrmann
(1920–1926), Dr. Edmund Kohn (1927–1929), Dr. Moriz Schnabl (1929–1933),
Univ.-Prof. Dr. Ludwig Braun (1933–1936), Dr. Felix Kohn (bis 1937). Weitere be-
deutende Mitglieder waren die Oberrabbiner Zwi Perez Chajes und sein Nachfolger
im Amt Dr. David Feuchtwang, der Grazer Rabbiner Prof. Dr. David Herzog, die
Universitätsprofessoren Wilhelm Jerusalem, Leopold Königstein, Moritz Oppenhei-
mer, Alois Pick, die Regierungsräte Dr. Hermann Oppenheimer und Ludwig Singer,
Cornelia Wilhelm, „,Juden und Freimaurer ?‘ Wesen, Genese und Selbstverständnis des Unabhängigen
Orden B’nai B’rith als erster jüdischer Orden 1843 – 1914“, in : Zeitschrift für Internationale Freimaurer-
forschung 13/2005, S. 49–79. Siehe auch : Wilhelm Knöpfmacher, Entstehungsgeschichte und Chronik der
Vereinigung „Wien“. B’nai B’rith in Wien, 1895–1935, Wien 1935, S. 1.
zurück zum
Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519