Seite - 138 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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1 Evelyn Adunka
Namen überliefert, denn insgesamt sollen 60 chassidische Rebbes nach Wien geflüchtet
sein, von denen die Hälfte nach dem Ende des Kriegs die Stadt wieder verließen.
Zu den berühmtesten chassidischen Rebbes, die in Wien lebten, gehörten der Czort-
kowwer, der Kopecziner (sie starben 1933 bzw. 1936), der Boyaner (er wurde ein Opfer
der Shoah), der Sadigerer und der Husyatiner (sie konnten nach Palästina flüchten.).
Die Orthodoxie
Die bisher erwähnten großen Synagogen und ihre Rabbiner gehörten zur gemäßigten
Orthodoxie.
Die strenge Orthodoxie war gespalten in zwei auch landsmannschaftlich getrennte
Lager und besaß in Wien zwei große Synagogen, die 1864 eingeweihte Schiffschul in
der Großen Schiffgasse, der vor allem aus Ungarn gebürtige Juden angehörten, und
den 1893 von Wilhelm Stiassny erbauten Polnischen Tempel in der Leopoldsgasse,
beide im zweiten Bezirk.
1912 begann sich die Orthodoxie mit der in Kattowitz gegründeten „Aguda Jisroel“,
der Weltorganisation der orthodoxen Juden, politisch zu organisieren. Die Aufgabe der
„Aguda Israel“ war die Lösung der jeweiligen – pädagogischen, wirtschaftlichen und
religiösen – jüdischen Gesamtaufgaben im Geiste der Tora. Das Weltbüro der Aguda
befand sich von 1919 bis 1938 in Wien, im Nebengebäude des Polnischen Tempels,
und wurde von Rabbiner Pinchas Kohn geleitet.
Die Bedeutung Wiens als ein Zentrum der Weltorthodoxie wurde weiters dadurch
bezeugt, dass die beiden ersten Weltkongresse der Aguda (genannt „Kenessio Gedaulo“,
große Versammlung) 1923 und 1929 in Wien stattfanden. 1923 trafen sich 900 De-
legierte in den Sälen des Zirkus Renz. 1929 trafen sich die Delegierten in den (2001
abgebrannten) Sofiensälen, deren Festsaal 3.000 Personen fasste. Die zweite „Kenessio
Gedaulo“ ging auch in die Weltliteratur ein, da sie von Soma Morgenstern in Der Sohn
des verlorenen Sohnes (1935, Neuausgabe unter dem Titel Funken im Abgrund I, 1996)
beschrieben wurde.
Der erste Rabbiner der Schiffschul war Salomon Spitzer, ein Schwiegersohn des be-
rühmten Preßburger Rabbiners Chatam Sofer, des Begründers der modernen Ultra-
orthodoxie. Der Architekt und die Details der ersten Schiffschul sind leider nicht be-
kannt. 1892 erwarb der Tempelverein das Grundstück ; der Vordertrakt wurde danach
unter der Leitung von Wilhelm Stiassny umgebaut und erweitert ; im ersten Stock des
dreistöckigen Gebäudes zog das Beth Hamidrasch ein. In der Schiffschul wirkte nach
dem Tod Spitzers 41 Jahre lang Rabbiner Jesaia Fürst, ein Absolvent der Jeschiwa des
Chatam Sofer in Pressburg. Er war vor seinem Ruf nach Wien Rabbiner der beiden
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519