Seite - 157 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Martin Bubers Weg zum Chassidismus 1
Im Wintersemester 1896/97 beginnt
er sein immer wieder unterbrochenes
Studium der Philosophie, Germanis-
tik, Kunstgeschichte und Psychologie in
Wien, Berlin, Leipzig und Zürich. Er be-
legt Vorlesungen von Ernst Mach (1838–
1916), dessen Positivismus auch Hof-
mannsthal und Musil beeinflussen sollte,
sowie Georg Simmel (1858–1918) und
Wilhelm Dilthey (1833–1911). Buber ist
jedoch mehr von der Welt der Literatur
und des Theaters geprägt. „Aber er gab
sich […] einem literarischen und ästhe-
tischen Genuss der Kulturgüter hin, die
ihm vor allem in ihrer österreichischen,
und das heißt Wiener Form entgegentra-
ten. Die Eindrücke des großväterlichen
Hauses […] versanken.“
Erfolglos versucht er sich an Gedich-
ten. Trotz der Faszination für „Jung Wien“ und ihrer Literatur wirft er in seiner ersten
Veröffentlichung von 1897 (in polnischer Sprache) einen kritischen Blick auf die
„Wiener Literatur“ : Hermann Bahr (1863–1934) ist für ihn schweifender Schmetter-
ling, der ohne Tiefe von Thema zu Thema fliegt, so wie er jeden Tag ein neues „Ich“
wie eine neue Krawatte anziehe. Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) lebe in einer
Traumexistenz und sei ein undynamischer Poet, der nicht über das Leben schreiben
könne, da er keine Lebenserfahrungen habe. „Alles, was sich in ihm entfaltet sind äu-
ßere Dinge, nämlich Ansichten, Form ; seine Seele bleibt stets unverändert, die zarte,
müde Seele eines Aristokraten, der vom Leben nichts gekostet hat und der nichts
mehr von ihm verlangt.“ Peter Altenberg (1859–1919) hätte zwar echte Führerquali-
täten, nur sei sein Problem, dass er versuche, Hofmannsthal und Bahr zu imitieren.
„Er sieht in ihrem fahlen Leben etwas Schönes und imitiert sie. Er strebt danach,
seine Liebe zu verbergen, er täuscht Mattigkeit, Kraftlosigkeit und Dekadenz vor, er
nimmt den ironischen Ton des Salons an, der leicht und nachsichtig lächelt, aber kein
volles, göttliches Lachen kennt.“
Hans Kohn, Martin Buber, Köln 1961, S. 18.
Martin Buber, Werkausgabe 1, Gütersloh 2001, S. 123.
Buber, Werkausgabe 1, S. 125. Abb. 5: Martin Buber als Student
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519