Seite - 194 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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1 Armin Eidherr
tojsntsstn mol wesstu gejn ss’erschte mol / iber barg, iber tol, iber samd fun krischtol … /
woss du trogsst fun amol – warf awek un – fargess ! / un zum tojsntsstn mol wet der ness
blajbn ness !
kum arajn wi a schajn, kum arajn wi a tanz – / kum arajn, gej arajn un farlir dich dort
ganz …“
(„Komm herein . . .
Komm herein, geh herein und betritt deine eigene Welt, / wo die Sonn’ und ihr Glanz
anders hingestellt sind, / und man fragt nicht die Zeit : ist was lang ? (Nur : ist’s tief ?) / Und
was nah und was fern und was grad’ ist und schief, / das weiß niemand, ist alles ein fremder
Begriff.
Und was droben noch Gott ist, Gewalt und Gesetz, / gilt hier bloß als ein Scherz und
als hölzerner Götze.
Komm herein mit Gesang und erlöstem Weinen, / hast doch schon lange auf eine Welt
gewartet, die schön ist. / Die groß ist, nicht eingeengt im Viereck der Welt, / wie ein Herz,
wenn es sich sehnt, den Sternen zugewandt. / Nach einer fröhlichen Welt, wo man immer
nur zu sich geht / und wenn jemand befiehlt – ist es dein eigenes Ich.
Komm herein wie ein Lied auf beflügelten Schritten, / um wie der Frühling aufgeblüht
zu sein, um dein eigener Gott zu sein. / Jeden Weg, jeden Steg wirst du dir selbst suchen /
wie die güldenen Tage die sonnenhelle Ebene / und zum tausendsten Mal wirst du das erste
Mal / über den Berg und durchs Tal gehen, über den Sand aus Kristall … / Was du von
einst mit dir herumträgst – wirf es fort und – vergiss es ! / Und zum tausendsten Mal wird
das Geheimnis Geheimnis bleiben !
Komm herein wie ein Schein, komm herein wie ein Tanz – / komm herein, geh herein
und verlier’ dich dort ganz …“ Ü.: A. E.)
Sicherlich wird hier eine „poetisch-utopische“ Welt beschrieben, in der die „Zeit“ nur
danach befragt wird, ob das Erleben in ihr „Tief“ ist. Eine „individualanarchistische
Einstellung“ drückt sich aus, die „Gott, Gewalt und Gesetz“ als „Scherz und hölzer-
nen Götzen“ erachtet. In dieser Welt, in der die Beschränkungen „Von einst“ fort-
geworfen und vergessen werden sollen, gehorcht man nur den Befehlen des „eigenen
Ich“ und ist sich selbst „sein eigener Gott“. Jegliche einengende Tradition – auch die
jüdische – hat an Geltung verloren ; man ist beim letzten jiddischistischen Ideal an-
gekommen. Darauf (und gleichzeitig auf das hoch Artifizielle desselben) weist schon
die Form des Gedichtes hin : Das in der jiddischen Dichtung selten verwendete, hier
Naygreshl, Kaylekhdike teg, S. 3.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519