Seite - 204 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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0 Karin Wagner
Hans Rainer. Kein Geringeres als das Galimir Quartett bestritt dabei die Urauffüh-
rung von Eric Zeisls Erstem Streichquartett. Dieses Werk entstand ca. 1930 bis 1933, es
ist dem Quartett um Felix Galimir in „Bewunderung & Freundschaft zugeeignet“.
Mit dem für „Junge Kunst“ konzertierenden Felix Galimir, mit Alfred Farau und
Julius Chajes fand Eric Zeisl sich im Kreis markanten Wiener jüdischen Kunstintel-
lekts wieder. Der in Lemberg geborene Julius Chajes (1910–1985) entstammte einer
gebildeten höheren Mittelstandsfamilie. Hochbegabt kam er nach Wien, studierte
Klavier und bestritt einer „Wunderkindkarriere“ gemäß bereits im Jugendalter Kon-
zertabende. Er war der Neffe des bis 1927 in Wien tätigen Oberrabbiners Zwi Pe-
rez Chajes. 1933 wurde Julius Chajes beim Internationalen Pianistenwettbewerb der
Ehrenpreis der Stadt Wien zugeschrieben, als Komponist feierte er Erfolge mit von
Einflüssen deutscher Spätromantik durchsetzten Charakterstücken. Exemplarisch zu
nennen für Chajes’ Wiener Stil ist sein 1929 entstandenes Trio d-Moll op. 11 für
Violine, Violoncello und Klavier – dieses Werk wurde im April 1933 im Beethoven-
saal der Wiener Hofburg für „Junge Kunst“ gespielt. Im März 1934 lud das Wiener
Konzerthaus zu Julius Chajes’ „Abschiedskonzert“ : Er gestaltete dort als Pianist
und Komponist einen Abend mit dem Rosé Quartett. Noch im selben Jahr verließ er
Wien und exilierte nach Palästina, später in die Vereinigten Staaten.
Eine interessante, das Wiener Kunst- und Kulturleben im Zeisl-Umkreis innovativ
mitformende Erscheinung war Hugo Kauder (1888–1972). Dieser unterrichtete Eric
Zeisl in der Komposition. Auch Julius Chajes war Schüler Kauders – ein Moment,
das Initial für die Verbindung Zeisl-Chajes in Wien gewesen sein mag. Hugo Kauder
ist in Mähren geboren, 1905 zog er nach Wien, stand in engem Kontakt zu Egon
Lustgarten und arbeitete mit Karl Weigl zusammen. Er war Geiger im Wiener Ton-
künstler Orchester und später Bratschist im Gottesmann Quartett, bevor er bis 1938
als freischaffender Komponist und Lehrer arbeitete. Daneben publizierte er Theorien
zur Harmonielehre und verfasste musikphilosophische, musikpolitische und werkbe-
trachtende Aufsätze in den Musikblättern des Anbruch. In seinen Schriften reflektierte
Kauder auch den Wiener Musikbetrieb und legte seine visionären Ansichten dazu
bereits 1920 dar. Hierbei kritisierte er das Fehlen der Voraussetzungen für ein wirk-
Felix Galimir (1910 Wien – 1999 New York) war Primgeiger des 1929 gemeinsam mit seinen drei
Schwestern Adrienne, Renée und Marguerite gegründeten Galimir Quartetts. Das Ensemble spielte
1936 als Erstes Alban Bergs Lyrische Suite für Schallplatte ein. Felix Galimir exilierte nach Palästina,
1938 in die Vereinigten Staaten, wo er am City College in New York, an der Marlboro School of Music
in Vermont, an der Julliard School of Music in New York und am Curtis Institute in Philadelphia unter-
richtete.
Julius Chajes, Klavier ; Max Klein, Bariton ; Rosé Quartett ; 11. März 1934. Programmarchiv Wiener
Konzerthaus : http ://konzerthaus.at/archiv/datenbanksuche/.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519