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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 1 bivalenz nötigt dazu, sie auf einen Punkt zu reduzieren und projizieren, ähnlich wie in mythischen Beschwörungspraktiken das Auszutreibende als in einem Gegenstand nicht nur repräsentiert, sondern tatsächlich verkörpert vorgestellt wird. Als Ersatz für die zunehmend prekär werdende Einheit des Ich im Übergang vom Liberalismus zum Monopolkapitalismus wird die äußere Welt vereinheitlicht. Ein- heit und Identität werden durch das Kollektiv von außen an das fragmentierte Ich herangetragen, das immer mehr dem von David Riesman beschriebenen „außen-ge- leiteten Charakter“ entspricht. Im modernen Antisemitismus ist es auch darum zu tun, die Einheit des Ichs herzustellen , diese Einheit ist jedoch von neuer Qualität und deckt sich insofern nicht mehr mit dem von Freud beschriebenen Ich des bürger- lichen Individuums, als es selber nicht mehr die Kraft besitzt, die Einheit von sich aus zu erzeugen. Es sucht Kompensation von außen und findet Ersatz für die verlorene Identität im übermächtigen Kollektiv. Diese Entwicklung trägt der zweckgerichtete, männliche, identische Charakter, den Horkheimer und Adorno beschreiben , als Keim schon in sich. In identitären Konstrukten werden Grenzen gezogen und aufgelöst zugleich – sie beruhen im Grunde auf hegemonialem Einverleiben und Ausschließen. Dem zwang- haften Identifizieren auf kollektiver Ebene steht der Verlust der Möglichkeit von individueller Identität gegenüber. Identität abstrahiert sich somit auf einer kollek- tiven Ebene und wirkt von daher zugleich entgrenzend. Das Fremde und Andere, dessen Konstruktion und Wahrnehmung auf dem Prinzip des Identifizierens beruht, ist letztlich Ausdruck der gesellschaftlichen Entfremdung und Verdinglichung von Menschlich-Lebendigem in der Gleichsetzung mit Natur. Im Zeitalter der Säkulari- sierung, in dem Religion zunehmend ihre gesellschaftliche Funktion einbüßt und das Wissen über die Natur als unhinterfragbares und zuweilen sakralisiertes an deren angestammte Stelle tritt, nimmt Natur paradox eine undurchdringliche, weil schein- bar unvermittelte Gestalt an : „Rasse“ und „Geschlecht“ werden zu Verdikten, welche Menschen aus der humanistischen Vorstellung der Menschheit ausschließen und als vorgebliche Naturwesen einer bereits entmenschlichten Vorstellung der Gattung ein- verleiben, um in einem nächsten Schritt die Essentialisierung von Gesellschaftlichem überhaupt vornehmen zu können. Diese wiederum gibt den entfremdeten Individuen den Umgang mit objektiv-gesellschaftlichen Prozessen vor : nicht gottgegeben, son- David Riesman, Die einsame Masse, Hamburg 1958. Christina von Braun, „Antisemitische Stereotype und Sexualphantasien“, in : Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hg.), Die Macht der Bilder. Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien 1995, S. 180–191, S. 182. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften 3), Frankfurt am Main 1997, S. 50.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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