Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 234 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 234 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

Bild der Seite - 234 -

Bild der Seite - 234 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

Text der Seite - 234 -

Karin Stögner Logik war.“ Christina von Braun fasst dieses dialektische Ineinandergreifen von Einheit und Differenz im Konzept des „internen Anderen“, in dem sich Antisemi- tismus und Frauenfeindlichkeit überkreuzen : „Der Antisemitismus ist nur aus dem Konzept eines ,internen Anderen‘ zu verstehen, bei dem ,Jude‘ wie ,Weib‘ als ab- gespaltene Imagines des Selbst in Erscheinung treten.“ Wie bedeutsam die Anteile des Sexuellen, der Triebbedürfnisse und deren Verdrängung, bei diesem Komplex von Einheit, Ambivalenz und Differenz sind, davon zeugen die vergeschlechtlichten Bilder des Antisemitismus und die rassistischen Bilder des Sexismus. Um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert waren sie in einem heute kaum noch nachvollziehbaren Ausmaß präsent und populär, waren Teil der Alltagskultur nicht weniger als der zeitgenössischen wissenschaftlichen Diskurse. Unerkanntes und Nichtintegriertes wurden in ihnen jäh aufeinander bezogen und derart dem repressiven, einheitlichen System von Symbolen und Zeichen einverleibt. Besonders signifikant tritt dies in der im Wien des Fin de Siècle, aber auch noch Jahrzehnte später gebräuchlichen Wendung „mit dem Jud spielen“ hervor, die Sander L. Gilman beschreibt. Dabei handelt es sich um eine abwertende Umschreibung weiblicher Selbstbefriedigung. „Weib“ und „Jude“ wurden aus dem Rahmen der männlichen Selbstreferentialität ausgeschlossen (und dadurch paradoxerweise gerade in den Herr- schaftszusammenhang integriert), indem sie auf ein scheinbar gemeinsames Drittes reduziert und darob identifiziert wurden : das angeblich kastrierte Geschlechtsteil. Der männliche Jude wurde als Ganzer mit der weiblichen Klitoris identifiziert, die nicht minder als verstümmelter Penis imaginiert wurde. Die Klitoris galt aber als der männliche Teil des weiblichen Genitals, und die weibliche Sexualentwicklung wies in der gängigen Sexualforschung einen wesentlichen Unterschied zur männlichen auf : sie bündelte sich im Verlauf der Entwicklung nicht zur einheitlichen eroge- nen Zone, sondern blieb der Zweiheit verhaftet. In diesem Sinne bescheinigte Freud der Frau eine viel deutlicher wahrnehmbare Bisexualität als dem Mann : „Zunächst ist unverkennbar, dass die für die menschliche Anlage behauptete Bisexualität beim Weib viel deutlicher hervortritt als beim Mann. Der Mann hat doch nur eine lei- tende Geschlechtszone, ein Geschlechtsorgan, während das Weib deren zwei besitzt : Theodor W. Adorno, „Wozu noch Philosophie“, in : ders., Gesammelte Schriften 10–2, Frankfurt am Main 1997, S. 459–473, S. 466 f. Christina von Braun, „Antisemitische Stereotype und Sexualphantasien“, in : Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hg.), Die Macht der Bilder. Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien 1995, S. 180–191, S. 182 ; vgl. auch Sigrid Weigel, „Frauen und Juden in Konstellationen der Modernisierung – Vorstel- lungen und Verkörperungen der internen Anderen“, in : Inge Stephan, Sabine Schilling, Sigrid Weigel (Hg.), Jüdische Kultur und Weiblichkeit in der Moderne, Köln, Weimar, Wien 1994, S. 333–351. Sander L. Gilman, Freud, Identität und Geschlecht, Frankfurt am Main 1994, S. 69.
zurück zum  Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938