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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 245 -
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Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle Anderes. Der Übergang zwischen den beiden Aspekten von Weiblichkeit bleibt flie- ßend, die Kompromisslösung gestattete aber, sich der verfemten und doch begehrten „sexuellen Frau“ ungestraft zu nähern, da die gesamte Veranstaltung doch unter dem Aspekt ihrer Herabwürdigung stand. Konsequenter, nämlich das Geschlechtliche und Sinnliche in Form des Weiblichen total ablehnend, ist Weininger ; er bringt die zeit- genössische antisemitische Misogynie auf den Punkt : „Ich möchte sogar sagen : es gibt nur ,platonische‘ Liebe. Denn was sonst noch Liebe genannt wird, gehört ins Reich der Säue. Es gibt nur eine Liebe : es ist die Liebe zur Beatrice, die Anbetung der Madonna. Für den Koitus ist ja die babylonische Hure da.“ 0 Die sinnliche, sexuelle Frau zieht den Mann ins finstere Reich der Begierden und wird von vorneherein stets und immer wieder zur „Hure“ gemacht. In dieser Vorstellung ist die „reine“ Liebe vom Weiblich-Geschlechtlichen unbeschmutzt ; die „platonische“ Liebe bleibt unkörperlich innerhalb der fest gefügten Körpergrenzen dem Selben, d. h. dem auf Herrschaft allein bezogenen und zum Punkt reduzierten Ich verhaftet. Die körper- feindliche Haltung lässt auch das Verhältnis zum Geist nicht unberührt : in der Vor- stellung der „schönen Jüdin“ verschmelzen Sinnlichkeit und Intellektualität zu etwas ganz „Unnatürlichem“. So ist das Bild der „Ewigen Jüdin“ aber als Pars pro Toto zu verstehen, als eine religionsunabhängige Bezeichnung für einen Frauentypus, dessen Eigenschaften als negative Ausprägungen des Weiblichen schlechthin verstanden werden. Das „ewig Jüdische“ steht mit dem „ewig Weiblichen“ gleich auf, wodurch die Vorstellung von Frauen als „minderwertiger Rasse“ insinuiert wird. Nicht zu vernachlässigen ist da- bei erneut das Moment des unterstellten „Nicht-Authentischen“ : das „ewige Wesen“ des „Juden“ wie der „Frau“ liege in der Verstellung und der Täuschung, im Sich- Einschleichen und in der Vermischung. So mussten Juden immer schon von außen gekennzeichnet werden, da sie sich sonst nur allzu leicht als etwas anderes ausgeben und den einheitlichen „Volkskörper“ unterwandern könnten. Verdächtig waren von vorneherein alle : da man Juden und Jüdinnen in der Realität nicht erkennen konnte, musste im Nationalsozialismus jeder und jede mittels „Ariernachweis“ beweisen, es nicht zu sein – dem System waren alle gleichermaßen potenziell „Juden“. Nicht nur im „Jüdisch-Weiblichen“ lag den Völkischen und dem Faschismus außerdem die Ge- fahr, sondern im Weiblichen generell. Das „Weib“ als die Verführende war aufgrund der ihr unterstellten durchlässigen Ichgrenzen und mangelhaften Subjektkonstitution nur allzu leicht verführt. Sie lebte inmitten der „Volksgemeinschaft“, ja war für deren Erhalt unabdinglich, hielt in sich jedoch das permanente Gefahrenpotenzial der „Ver- 0 Zitiert nach Ute Luckhardt, „Die Frau als Fremde. Frauenbilder um die Jahrhundertwende“, in : Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte, Band XXI, 1992, Neuere Frauengeschichte, S. 99–126, S. 122.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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