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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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0 Michaela Raggam-Blesch vor dem Ersten Weltkrieg zugewanderten ostjüdischen Bevölkerung konnte sich relativ bald integrieren – ein Umstand, der nicht zuletzt auf die Bemühungen der ansässigen Gemeinden zurückzuführen ist. Die im Zuge des Ersten Weltkriegs nach Wien strö- mende Flüchtlingswelle war durch die kriegswirtschaftliche Krise völlig anderen Ver- hältnissen ausgesetzt und wurde neben den katastrophalen hygienischen Bedingungen auch mit dem Missmut der ansässigen Bevölkerung konfrontiert. Schätzungen zu- folge wurde die jüdische Gemeinde in Wien durch den Zustrom an Kriegsflüchtlingen während des Ersten Weltkrieges um rund 77.000 Juden erweitert. Nach dem Zusam- menbruch der Monarchie sah sich die jüdische Bevölkerung der ehemaligen Donau- monarchie vor die Herausforderung gestellt, ihre Identität als Bürger eines sprachlich und kulturell klar umrissenen Nationalstaates neu definieren zu müssen. Im Zusammenhang mit der Definition jüdischer Identität(en) soll auch auf das von Till van Rahden geprägte Konzept der „situativen Ethnizität“ Bezug genommen werden, das vom herkömmlichen Assimilations- und Akkulturationsbegriff Abstand nimmt. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die als Minderheit definierte Eth- nizität Elemente der Mehrheitskultur bewusst aneignete und diese auch aktiv mitge- staltete. Juden waren innerhalb des Bürgertums keine Minderheit, sondern stellten vielmehr eine Kerngruppe dar, die wichtige Teile des Vereinswesens trug, einen bedeu- tenden Teil der Gymnasiasten stellte und das Kulturleben wesentlich mitgestaltete. Die gleichzeitige Durchlässigkeit wie auch Undurchlässigkeit der Grenzen zwischen deutsch-jüdischer Kultur und der sie umgebenden Gesellschaft definiert Till van Rah- den als charakteristisch für das Konzept der „situativen Ethnizität“, die deutsche Juden als Gruppe kennzeichnete. Wie van Rahden weiter ausführt, waren jüdische Bürger Schätzungen zufolge befanden sich bis zum Herbst 1915 an die 340.000 galizische Flüchtlinge in der Hauptstadt, wobei der größte Teil davon jüdischer Konfession war. Beatrix Hoffmann-Holter, „Abrei- sendmachung“. Jüdische Kriegsflüchtlinge in Wien 1914 bis 1923, Wien 1995, S. 30f. Harriet Pass Freidenreich, Jewish Politics in Vienna, 1918–1938, Bloomington 1991, S. 15. Der Großteil der Flüchtlinge kehrte trotz der weit reichenden Verwüstungen bis zum Ende des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren wieder in ihre Heimatgebiete zurück, was vor allem auch auf staatliche Bemü- hungen um die „Abreisendmachung“ jüdischer Kriegsflüchtlinge zurückzuführen ist. Hoffmann-Holter, Abreisendmachung, S. 142f, S. 158, S. 160f. Rozenblit, Reconstructing a national identity, 128 f. Siehe auch : Marsha L. Rozenblit, „Jewish Ethnicity in a New Nation-State. The Crisis of Identity in the Austrian Republic“, in : Michael Brenner, Dirk Penslar (Hg.), In Search of Jewish Community. Jewish identities in Germany and Austria, 1918–1933, Bloomington 1998, S. 134–153, S. 135f, S. 142f. Andreas Gotzmann, Rainer Liedke, Till von Rahden (Hg.), Juden, Bürger, Deutsche. Zur Geschichte von Vielfalt und Differenz 1800–1933, Tübingen 2001, S. 5f. Till van Rahden, „Weder Milieu noch Konfession. Die situative Ethnizität der deutschen Juden im Kaiserreich in vergleichender Perspektive“, in : Olaf Blaschke und Frank-Michael Kuhlemann (Hg.), Religion im Kaiserreich. Milieus – Mentalitäten – Krisen, Gütersloh 1996, S. 409–434.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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