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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 268 -
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Seite - 268 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Michaela Raggam-Blesch in den östlichen Provinzen des Habsburgerreiches geboren wurden, oder deren Eltern aus den Shtetln Galiziens und der Bukowina stammten, hatten zumeist ein ausgeprägtes Bewusstsein gegenüber antisemitischen Tendenzen, was unter anderem darauf zurück- geführt werden kann, dass sie den vorherrschenden Diskriminierungen als Ostjuden ungleich stärker ausgesetzt waren. Dabei ist zu beachten, dass es auch unter der ansässi- gen jüdischen Gemeinde Bemühungen gab, sich gegenüber den Zuwanderern aus dem Osten abzugrenzen. Die Vielzahl an Wohlfahrtseinrichtungen, die im Zuge der Massen- einwanderung ostjüdischer Flüchtlinge ins Leben gerufen wurde, zeugt nicht nur vom sozialfürsorglichen Einsatz der jüdischen Gemeinde. Sie gingen vielmehr über den rein karitativen Aspekt noch hinaus, indem sie in ihrer Tätigkeit anhand streng festgelegter „Bedürftigkeitskriterien“ auch die vorherrschenden bürgerlichen Normvorstellungen re- flektierten. Des Weiteren versuchten diese Organisationen zum Beispiel durch Vorträge im Bereich der Hygiene „erzieherisch“ auf ostjüdische Flüchtlinge einzuwirken. Jüdi- sche Einwanderer aus dem Osten wurden daher vielerorts mit der Anforderung konfron- tiert, sich an diese bürgerlichen Standards anzupassen, wobei der Integrationsdruck nicht unerheblich war, wie in den Lebenserinnerungen deutlich wird. Obwohl die Mehrheit der aus ostjüdischem Milieu stammenden Frauen mit reli- giösen Traditionen vertraut war, wird in den Lebenserinnerungen deutlich, dass sich auch in orthodoxen Familien eine Tendenz abzeichnete, jüdische Traditionen an das Umfeld anzupassen. 9 Zum Beispiel erinnert sich die 1924 in Wien geborene Freda Ulman Teitelbaum an ihren aus Kolomea stammenden Großvater, der bereits keinen Bart mehr trug, obwohl die Familie an allen Traditionen festhielt und sowohl Schabbat als auch die jüdischen Feste im Jahreskreis feierte. 0 In manchen Lebenserinnerungen wird der Prozess der langsamen Anpassung an die säkulare Umwelt bereits innerhalb einer Generation deutlich. Die Eltern der 1912 in Galizien geborenen Künstlerin Juana Merino Kalfel entstammten einem streng orthodoxem Milieu und hielten sich in der Anfangszeit in Wien noch an die vorgeschriebenen Gebete und jüdischen Spei- In diesem Zusammenhang wird der Begriff Ostjuden als Bezeichnung für die jüdischen Bevölkerungs- teile aus den Provinzen Galiziens und der Bukowina verwendet, wobei einer zeitgenössischen Zuord- nung Rechnung getragen wird, da die Definition „ostjüdisch“ im Kontext der Zeit vorwiegend auf die jüdische Bevölkerung der genannten Provinzen – zum Teil auch unter dem diffamierend verwendeten Begriff der „polnischen Juden“ – angewandt wurde. Klaus Hödl, Als Bettler in die Leopoldstadt. Galizische Juden auf dem Weg nach Wien, Wien 1994, S. 153f. Siehe dazu : Raggam-Blesch, Zwischen Ost und West, S. 106f. Ungefähr ein Drittel der insgesamt 154 autobiografischen Quellen, die im Rahmen meiner Arbeit untersucht wurden, waren ostjüdischer Herkunft – wobei ich mich in dieser Definition – wie eingangs erwähnt – auch auf Frauen beziehe, deren Eltern aus dem Osten der Monarchie stammten. Raggam- Blesch, Zwischen Ost und West, S. 210. 0 Freda Ulman Teitelbaum, Vienna Revisited, Santa Barbara 1995, S. 65f, S. 84f.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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