Seite - 282 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Elisabeth Malleier
Zeitschrift für Frauen-Stimmrecht. Redakteurin dieser Zeitung war Henriette Herzfelder
(1865–1927), die diese Funktion auch beim Bund während der längsten Zeit seines
Bestehens und bei der Zeitschrift für Kinderschutz und Jugendfürsorge ausübte. Beiden
Frauen war gemeinsam, dass sie im Laufe ihres Lebens aus der Kultusgemeinde austra-
ten, wie dies bei vielen Feministinnen jüdischer Herkunft der Fall war.
Nicht ausgetreten ist Leopoldine Kulka (1872–1920), die am weitesten links ste-
hende Autorin und Mitherausgeberin des Neuen Frauenlebens, Vizepräsidentin des
aöF nach Auguste Fickerts Tod (1855–1910), die auch in der vom aöF gegründeten
Rechtsschutzstelle für Frauen tätig war. Sie gehörte vermutlich auch zu den 1902 ge-
gründeten „Antiklerikalen Frauen von Wien“, die die feministische Antwort auf die
konservative und antisemitische Politik der christlich-sozialen Partei Karl Luegers und
des von ihm initiierten „Christlichen Wiener Frauenbundes“ war. Nach dem Ersten
Weltkrieg war Leopoldine Kulka gemeinsam mit Yella Hertzka (1873–1948) und an-
deren Frauen eine der Mitgründerinnen der österreichischen Sektion der „Women’s
International League for Peace and Freedom“ (WilPF), auf die ich noch ausführlicher
zu sprechen kommen werde.
Ein weiteres Feld, auf dem jüdische Frauen sehr aktiv waren, waren die Bereiche
Mädchenbildung und weibliche Berufstätigkeit. Neben Regine Ulmann, einer Mit-
gründerin des „Mädchen-Unterstützungs-Verein“ und zahlreicher anderer Frauen-
vereine, und Ernestine Federn, der Mitgründerin der ersten Kunstschule für Frauen
und Mädchen in Wien, sind hier Henriette Weiss (1863–1931) und Olly Schwarz
(1877–1960) zu nennen. Während sich Henriette Weiss u. a. für die Reformierung
der Krankenpflegeausbildung und die Errichtung von Pflegerinnenschulen für jüdische
Mädchen einsetzte, ist die Institutionalisierung der „Zentralstelle für weibliche Berufs-
beratung“ in Wien insbesondere auf die Energie und Ausdauer von Olly Schwarz zu-
rückzuführen. Alle der hier genannten Frauen waren im Lauf ihres Lebens in diversen
Kommissionen oder Vorstandsfunktionen des böFV oder des aöFV und prägten somit
Ziele und Inhalte der bürgerlichen Frauenbewegung entscheidend mit.
Wie sah das private Umfeld der Frauen aus ? Sie kamen, soweit feststellbar, zum
Großteil aus dem Bürgertum. Viele der hier vorgestellten Aktivistinnen waren verhei-
ratet. Nicht alle der verheirateten Frauen hatten Kinder. Am kinderreichsten waren die
Frauen der älteren Generation. Regine Ulmann und Ernestine Federn hatten je sechs
Kinder. Doch ein nicht unbeträchtlicher Teil der Frauen war unverheiratet (in meiner
Studie waren es ca. ein Drittel). Sie lebten oft mit Familienangehörigen, z. B. mit der
Schwester oder der Mutter, zusammen.
Erwähnenswert sind auch die verschiedenen geografischen Herkunftsorte. Ottilie
Bondy und Henriette Herzfelder wuchsen in Brünn auf, Olly Schwarz und Ernestine
von Fürth in Prag. Rosa Feigenbaum, die sowohl für feministische als auch für zionis-
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519