Seite - 293 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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„Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“
des deutscher Frauenvereine“ (bDF) durch die Nazis galt ihre Kritik der zunehmenden
Wendung der „Bürgerlichen“ nach rechts – wie dies auch in der bürgerlichen Frauen-
bewegung in Österreich der Fall war : „Haben die Bürgerlichen aller Schattierungen
nicht immer den Sozialismus als ‚öden Gleichmacher‘ an die Wand gemalt ? Ach, hät-
ten sie ihn doch nur ausprobieren lassen ! Nun ist ein furchtbar realer Gleichmacher
Wirklichkeit geworden. Sein Name ist Gleichschaltung, sein Urheber der braune Fa-
schismus. Wo er geht, hat die Freiheit aufgehört zu atmen.“ 9
Schwarz versuchte in dem Artikel den LeserInnen der Arbeiter-Zeitung klarzuma-
chen, was die unscheinbare Zeitungsnotiz zur Auflösung des bDF bedeutete. Die bür-
gerliche Frauenbewegung sei früher „durch und durch demokratisch eingestellt“ gewe-
sen und mit den FührerInnen der sozialistischen Bewegung in Verbindung gestanden.
Der politische Niedergang des bDF habe sich allerdings schon viel früher von innen
heraus und durch seine immer deutlichere Schwenkung nach rechts vorbereitet, so
Schwarz : „Die Trennungslinie gegen die Sozialdemokratie wurde scharf gezogen und
die Front ganz nach der bürgerlichen Seite gedreht. Immer mehr fanden konserva-
tive Anschauungen Eingang, nicht nur in der betont bürgerlichen Problemstellung,
sondern auch in der Abkehr von alten Zielen und Grundsätzen ihres Programms, das
immer mehr in eine entgegengesetzte Richtung gedreht wurde. Der Einfluss der kon-
fessionellen Frauengruppen und der nationalen Strömungen, der Hausfrauen und
agrarischen Frauenverbände machte sich schon stark fühlbar. Alle Bemühungen aber,
eine Gesamtplattform für die bürgerliche Frauenbewegung zu finden, konnten nicht
verhindern, dass die ihrer Schwungkraft beraubte Frauenbewegung, die gegenüber den
konfessionellen und nationalen Frauen nicht die gleichen politischen und organisatori-
schen Machtmittel besaß, stark ins Hintertreffen kam.“ 0
In ihrem Artikel beschrieb Schwarz auch die Auswirkungen des Nationalsozialis-
mus auf die Frauen. Die Frauenbewegung als internationales Projekt solle unter dem
„braunen Kerkerstaat“ und mithilfe junger nationalistischer Frauen in eine nationale
Bewegung umgewandelt werden. Wie diese „Gebundenheit“ von Frauen „im Dienste
des Ganzen“ aussah, skizziert Schwarz mit wenigen treffenden Worten : „Einstellung
der Männer in den Erwerb, Herausziehen der Mütter aus technisierten Betrieben, na-
türlich viel von der ‚Eigenart‘ der Frauen. Und dann noch etwas vom ‚Blutmythos‘
[…].“ Schwarz bezog sich in diesem Artikel nicht explizit auf die bürgerliche Frauen-
bewegung in Österreich, doch vieles in ihrer Analyse traf auch auf den bürgerlichen
Olly Schwarz, „Das Ende der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland“, in : Arbeiter-Zeitung,
Wien, 25. Juli 1933. Ein seltenes Zeugnis einer österreichisch-jüdischen Feministin und Sozialistin stel-
len Olly Schwarz’ Memoiren dar. Olly Schwarz, Lebens-Erinnerungen, ungedrucktes Manuskript, 1959.
Das Originalmanuskript befindet sich im Leo-Baeck-Institut in New York.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519