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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 337 -
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Seite - 337 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Vom Schielen der Sinne wahrnehmen kann ? Ist denn nicht jedes Gleichnis und jede Metapher so ein Schielen, womit der Eindruck der mit einem Sinnesorgan nicht zu erfassen ist, gleichsam von zwei Seiten her wahrgenommen wird ?“ Schielen, der Drang, nach dem Dazwischen zu suchen, ist da nicht so sehr ein De- fekt, vielmehr eine notwendige Suchbewegung – eine Form, „unterwegs“ zu sein. Der Phantasie-Reiseführer 1925 veröffentlicht Balázs in Wien ein Bändchen mit Feuilletons, kurzen Essays über das Reisen und Wandern : das Anderswo-Sein. Anna Lesznai hat diesen Phantasie-Rei- seführer. Das ist ein Baedeker der Seele für Sommerfrischler illustriert und sicherlich so manchen Text auch durch ihre Gespräche inspiriert, wie schon während des Kriegs, als die „Gespräche mit der Prinzessin“ Balázs’ Kriegstagebuch 9 zusammenhielten. Gleich die erste dieser Miniaturen über das Heraustreten aus dem Alltag ist der Figur des Wanderers gewidmet. Ein programmatischer Essay, keine Standortbestimmung, sondern die Bestimmung einer Bewegung – ein Text, in dem Balázs noch einmal, und vielleicht mit den luzidesten Worten, die er je gefunden hat, seiner „Weltanschauung“ Ausdruck verleiht : „Er hat kein Heim, aus dem er einen Ausflug macht, und auch nicht, wie der Reisende, ein Ziel auf dieser Erde, die darum so schön ist. Gleich fremd sind ihm alle Orte. Er kennt kein Ankommen und kein Erreichen und nie werden ihm Menschen zur Familie.“ 0 Balázs’ Wanderer ist, auch in seiner Lakonik, ein enger Verwandter von Benjamins sieben Jahre später auftretenden „destruktiven Charak- ter“, der nichts Dauerndes sieht, nur Wege, überallhin, und der daher selbst immer am Kreuzweg steht. „Der destruktive Charakter“, schreibt Benjamin, „kennt nur eine Parole : Platz schaffen ; nur eine Tätigkeit : räumen. Sein Bedürfnis nach frischer Luft und freiem Raum ist stärker als jeder Haß.“ Doch während Benjamins destruktiver Charakter, der positive Barbar, sich den freien Raum, durch den er sich bewegen will, ohne Vorstellung von dem, was sein wird, erst zerstörerisch erkämpfen muss, das Be- Ebd. Ähnlich schreibt er in Die Jugend eines Träumers (Berlin : Das Arsenal, 2001) über das „metaphori- sche Alter des Kindes“, dessen Traumwelt auch jene Eindrücke aufnehmen würde, „die gleichsam durch einen Sinn nicht ganz erfaßbar sind und darum auf die anderen überwirken, weil diese Eindrücke schein- bar etwas enthalten, was in keiner Sinnessphäre restlos aufgeht“ (S. 25). Béla Balázs, Lélek a haboruban : Balázs Béla honvédtizedes naplojá (Seele im Krieg. Tagebuch des Korporal Béla Balázs), Gyoma : Izidor Kner, 1916. 0 Balázs, Der Phantasie-Reiseführer, S. 8. Walter Benjamin, „Der destruktive Charakter“ (1931), in : ders., Gesammelte Schriften. IV.I (Werkaus- gabe Band 10), Frankfurt am Main 1980, S. 396.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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