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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 345 -
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Die Zukunft und das Ende einer Illusion Worte haben einen besonderen Nachhall, den ich Ihnen ja nicht zu erklären brauche. Irgendwo in meiner Seele, aber nicht in einem ganz versteckten Winkel, bin ich ein fanatischer Jude, sehr erstaunt mich so zu finden trotz aller Bemühungen zur Vor- urteilslosigkeit und Unparteilichkeit.“9 Die psychoanalytische Bewegung zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war jung, nicht etabliert und vor allem international organisiert. Der Ausbruch des Ers- ten Weltkriegs machte jedoch auch innerhalb der psychoanalytischen Bewegung Freunde zu „Feinden“, was für alle Beteiligten bedrückend und enttäuschend war. Sogar Psychoanalytiker konnten sich nicht von Begeisterung und Vaterlandsliebe frei machen. Freud selbst befand sich zu Beginn des Krieges in einem Zustand der Eu- phorie. Seine Söhne meldeten sich freiwillig an die Front, wobei Freud diesen Um- stand ironisiert. Dazu schreibt er über seinen Sohn Martin an Karl Abraham : „Seine briefliche Motivierung war, er könne es sich nicht entgehen lassen, ohne Glaubens- wechsel über die russische Grenze zu kommen.“ 0 Nicht nur die Sorge um seine eingerückten Söhne schmälerte Freuds Begeisterung für den Krieg. Die zunehmende politische Instabilität, die zunehmende Kenntnis von Kriegsereignissen und die wei- ter bestehende Freundschaft und Verbundenheit mit Ernest Jones in England trugen ebenso dazu bei. Im März 1915 schreibt er an seiner Arbeit „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ , in der er seine Enttäuschung und Sorge verarbeitet. Darin behandelt er den Krieg zwischen den Kulturvölkern als eine narzisstische Kränkung. Er schreibt : „Wir hatten zwar gehofft, dass die großartige, durch Verkehr und Produktion hergestellte Interes- sengemeinschaft den Anfang eines solchen Zwanges [zur Sittlichkeit, Anm. d. Verf.] ergeben werde, allein es scheint die Völker gehorchen ihren Leidenschaften derzeit weit mehr als ihren Interessen. Sie bedienen sich höchstens der Interessen, um die Leidenschaften zu rationalisieren ; sie schieben ihre Interessen vor, um die Befriedi- gung ihrer Leidenschaften begründen zu können. […] Es ist in diesem Falle gerade so, als ob sich alle sittlichen Erwerbungen der Einzelnen auslöschten, wenn man eine Mehrheit oder gar Millionen Menschen zusammennimmt, und nur die primitivsten, ältesten und rohesten seelischen Einstellungen übrig blieben.“ Eine ebensolche Kränkung, wie sie Freud durch die Verrohung im Kriege beschreibt, entsteht für den Kulturmenschen aus seinem Verhältnis zum Tode, den er zu leugnen Freuds Bibliothek Freud’s Library A Comprehensive Catalogue Freuds Bibliothek Vollständiger Katalog, com- piled and edited by, bearbeitet und hg. von J. Keith Davies und Gerhard Fichtner, Tübingen 2006, S. 119. 0 Sigmund Freud – Karl Abraham. Briefe 1907–1926, Frankfurt am Main 1965, S. 186. Sigmund Freud, „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ (1915b), in : GW X. Ebd., S. 340.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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