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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 346 -
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Elisabeth Brainin · Samy Teicher sucht, besonders in einer Situation wie dem Kriege, in dem die Menschen nicht mehr einzeln, sondern zu Zehntausenden sterben. Da lässt sich der Tod nicht mehr leugnen. Die von kulturellen Auflagerungen verdeckte Mordlust, die im Unbewussten weiter besteht, lässt im Krieg den „Urmenschen“ wieder zum Vorschein kommen. Fremde werden zu Feinden, deren Tod man herbeiführen oder herbeiwünschen soll. Damit skizziert Freud bereits den Konflikt, der durch Kriegshandlungen hervorgerufen wird, den er später als einen Konflikt zwischen „Kriegs-Ich“ und „Friedens-Ich“ bezeichnen wird, der die Grundlage für den Ausbruch von „Kriegsneurosen“ bildet. Viele Pioniere der Psychoanalyse waren im Heer als Militärpsychiater tätig. Sie wur- den mit den Kriegsneurosen konfrontiert und konnten die neuen Erkenntnisse der Psychoanalyse an diesen Kranken ebenso anwenden, wie es bei den „Friedensneuro- tikern“ möglich war. Die Tätigkeit der psychoanalytischen Militärärzte brachte der jungen Wissenschaft weitere Anerkennung. In einem Kongress, der 1918 in Budapest unter Teilnahme der Mittelmächte stattfand, wurden die neuen Erkenntnisse, die auf dem Gebiet der traumatischen Neurosen gewonnen worden waren, der Öffentlich- keit vorgestellt. Der Psychoanalyse gelang es erstmals, Anerkennung in medizinischen Kreisen zu erlangen und auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu werden. Mit Kriegsende verschwanden die typischen Kriegsneurosen, und es entstand die neue Begrifflichkeit der „Rentenneurotiker“ oder „Begehrensneurotiker“, wie sie ab- wertend im psychiatrischen Jargon bezeichnet wurden. Diese Kranken seien Simulan- ten im selben Sinne, in dem die herkömmliche Heerespsychiatrie die „Kriegszitterer“ in erster Linie als Simulanten bezeichnete, die man nur grausam genug behandeln müsse, um sie zur weiteren Teilnahme am Krieg bewegen zu können. Verfahren wie die schmerzhafte „Faradisierung“ wurden angewendet, ohne den geringsten Versuch zu unternehmen, zu verstehen, was hinter den Symptomen der Soldaten stand. Nach dem Kriege kam es in Österreich zu einer eingehenden Untersuchung der militärärzt- lichen Vorgangsweisen, die von den Soldatenräten und der Öffentlichkeit gefordert wurde. Die Nationalversammlung beschloss im Dezember 1918 ein Gesetz zur Verfolgung und Feststellung von Pflichtverletzungen militärischer Organe während des Krieges. Schließlich kam es aber auch zu einer Untersuchung gegen Wagner-Jauregg. Freud wurde in der Untersuchung gegen Wagner-Jauregg als Gutachter beauftragt. Wag- ner-Jauregg in Österreich sowie Kraepelin in Deutschland waren die bekanntesten Vertreter der klassischen Psychiatrie. Wagner-Jauregg und seine Assistenten benutz- ten jede Gelegenheit, die Psychoanalyse zu attackieren. Die Atmosphäre, in der die Soldatenräte entstanden mit Kriegsende unter anderem als Antwort auf die unmenschliche Behandlung durch Militärärzte.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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