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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 376 -
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Seite - 376 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Bettina Riedmann Beruflich hatte diese Sonderstellung zur Folge, dass sich Schnitzler schließlich zum „seit der Erfindung der Buchdruckerkunst“ „am meisten beschimpfte[n] Dichter deutscher Sprache“ stilisierte. Er sah sich missverstanden – und zwar von zumin- dest drei Seiten. Er glaubte, dass seine Werke nicht objektiv beurteilt wurden, weil sie von den Antisemiten a priori verunglimpft wurden und von jüdischen Kritikern zu wenig gelobt wurden, weil diese im Verdacht standen, einen „der ihren“ allein auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Judentum zu positiv zu beurteilen. Außerdem war er der Meinung, dass manche jüdischen Kritiker vor anderen Juden und deren Werken ohnehin keinen Respekt zu empfinden vermochten. Und schließlich führt er seine österreichische bzw. seine Wiener Herkunft an, die laut Schnitzler die deutschen Kri- tiker mit weiteren Ressentiments gegen ihn erfüllten. Schnitzlers jeweils ambivalentes Zugehörigkeitsgefühl zum Judentum, zu Öster- reich und zu Deutschland und der deutschen Kultur zwang ihn zu einem ständigen Lavieren zwischen unterschiedlichen Positionen der Selbstbestimmung. Er sah sich veranlasst, sein Recht auf Zugehörigkeit einzufordern, das ihm von „den Deutschen“ und „den Österreichern“ häufig verwehrt wurde, verteidigte eine Gemeinschaft, wenn sie von der anderen falsch beurteilt wurde, und widersetzte sich nachdrücklich den Versuchen, sich ausschließlich für eine dieser „communities“ reklamieren zu lassen. Wenn er als jüdischer Dichter bezeichnet wurde, protestierte er gegen diese Etikettie- rung und verwies auf seine Verbundenheit mit der deutschen Kultur und darauf, dass er auf Deutsch schreibe. „Ich betrachte mich nämlich keineswegs als einen jüdischen Dichter, sondern als einen deutschen Dichter, der, soweit sich so etwas überhaupt nachweisen lässt, der jüdischen Rasse angehört, dessen Blut jedenfalls vorwiegend jüdisch ist und der auch in manchen seiner Eigenschaften vieles findet, das als cha- rakteristisch jüdisch angesprochen werden darf. Ich schreibe in deutscher Sprache, lebe innerhalb eines deutschen Kulturkreises, verdanke gewiss von allen Kulturen der deutschen weitaus am meisten, wenn ich auch ganz genau weiss, was ich der hebräischen, der hellenischen und der römischen schuldig geworden bin, von der romanischen ganz zu schweigen. Daran, dass ich ein deutscher Dichter bin, wird mich weder jüdisch-zionistisches Ressentiment, noch die Albernheit und Unverschämtheit deutscher Nationalisten, im geringsten irre ma- chen ; nicht einmal der Verdacht, dass ich mich beim Deutschtum oder gerade bei seinen kläglichsten Vertretern anbiedern möchte, wird mich daran hindern zu fühlen was ich fühle, zu wissen was ich weiss, oder auszusprechen, was ich fühle und weiss. Ebd., 13.12.1917. Zu den von ihm als „Esoi“-Juden bezeichneten Kritikern vgl. Riedmann, „Ich bin Jude, Österreicher, Deutscher“, S. 270ff.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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