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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Arthur Schnitzler 1 Oesterreichern – fast schon wie – uns Juden - ; übrigens, mit Beziehung aufs Ausland könnte man fortsetzen : uns Deutschen – wie uns Oesterreichern – und uns Juden. Wir werden verkannt. Sonderbar, dass wir uns in dieser Zeit als alles zugleich fühlen müssen. Ich bin Jude, Oesterreicher, Deutscher. Es muss wohl so sein – denn beleidigt fühl ich mich im Namen des Judentums, des Oesterreichertums und Deutschlands, wenn man einem von den Dreien was Schlimmes nachsagt.-“ Dieser Versuch Schnitzlers, die Trias von unterschiedlichen Bezugssystemen not- dürftig in Einklang zu bringen, konnte nicht gelingen. Deutschland und Österreich flüchteten sich zwar auch in eine Opferrolle, waren aber weit davon entfernt, Solidari- tät mit anderen ‚Verkannten‘ und insbesondere den Juden zu empfinden. Die Besonderheit besteht darin, dass sich Schnitzler der Problematik seiner Si- tuation in vollem Maße bewusst war, dass er aber bis zum Schluss auf seinem per- sönlichen Recht beharrte, allein über seine Zugehörigkeit entscheiden zu können. Diese spezifische Reaktion auf das Dilemma „identitäre[r] Vielfalt in Zeiten nationa- listischer Einfalt“ , wie Elke Michaela Perau treffend formuliert, unterscheidet ihn beispielsweise von Sigmund Freud, der sich angesichts der antisemitischen Anfein- dungen schließlich nicht mehr als Deutscher bezeichnete, sondern nur noch als Jude definierte. 1926 äußerte er rückblickend : „Meine Sprache ist Deutsch. Meine Kultur, meine Errungenschaften sind deutsch. Geistig betrachtete ich mich als einen Deut- schen, bis ich die Zunahme antisemitischer Vorurteile in Deutschland und Deutsch- österreich bemerkte. Seither bezeichne ich mich lieber als Juden.“ Schnitzlers unnachgiebiges Festhalten an seinem Recht auf Selbstbestimmung ist auch einer der wichtigsten Gründe dafür, dass seine sich im Laufe der Jahrzehnte ent- wickelnden Positionen zum Judentum und Antisemitismus keine radikalen Brüche aufweisen. Denn gerade im Vergleich zu anderen Zeitgenossen, die sich ebenfalls zur ständigen Auseinandersetzung mit der „sogenannten Judenfrage“ gezwungen sahen, sind seine Stellungnahmen in bemerkenswert hohem Maße von Kontinuität geprägt. Die Diskrepanz beispielsweise zu Herzl und dessen an Widersprüchen und einschnei- denden Zäsuren reichen Entwicklung zum engagierten Juden war besonders groß, aber der ‚Fall Schnitzler‘ hebt sich auch von zahlreichen anderen, weniger spektaku- lären und extremen Beispielen ab. Aus der näheren Umgebung Schnitzlers ist hier Schnitzler, Briefe Bd. 2 : 1913–1931, 22.12.1914, S. 68f. (an Elisabeth Steinrück). Elke Michaela Perau, „… und habe nichts zu beweisen als die Vielfalt der Welt.“ : Judentum, Antisemitismus und Identitätskrise im Werk Arthur Schnitzlers. Diplomarbeit masch., Salzburg 1993, S. 107. Zitiert nach Yosef Hayim Yerushalmi, Freuds Moses. Endliches und unendliches Judentum. Berlin 1991, S. 65. 1932 distanzierte sich Sigmund Freud in einem Brief an Arnold Zweig noch radikaler : „Wenn Sie mir von Ihren Grübeleien erzählen, kann ich Sie von dem Wahn befreien, daß man ein Deutscher sein muß. Sollte man dies gottverlassene Volk nicht sich selbst überlassen ?“ Zit. nach Ebd., S. 73.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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