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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 383 -
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Arthur Schnitzler sen wird und dieses als vermeintlich „jüdischer Beitrag“ zur österreichischen Kultur verstanden wird. Dies hieße nicht anzuerkennen, dass Schnitzler von seinem öster- reichischen Umfeld zutiefst geprägt worden ist, und es würde auch bedeuten, seine literarischen Werke als nicht „genuin österreichisch“ – was auch immer das sein mag – zu klassifizieren. Aus österreichischer Sicht scheint gerade das Wiener Fin de Siècle dafür prädestiniert zu sein, sich in diesem Kontext ein stolzes und demonstratives Be- kenntnis zu „unseren“ Juden abzuringen, das sich beispielsweise in der Auflistung der prominentesten Kunstschaffenden und Intellektuellen jüdischer Herkunft und ihrer Leistungen erschöpft. Die Gefahr ist tatsächlich gegeben, dass sich im kollektiven Bewusstsein ein Anti-Mythos etabliert, der u. a. auf neu arrangierten und uminter- pretierten Versatzstücken des damals populären Konstrukts einer typisch jüdischen Geistesart basiert und somit unter einer philosemitisch verbrämten Oberfläche Paral- lelen zu gängigen antisemitischen Stereotypen aufweist. Ob die Bezeichnung „Jude/Jüdin/jüdisch“ zutreffend und gerechtfertigt ist, hängt von zahlreichen unterschiedlichen Faktoren ab, beispielsweise von wem, in welchem Kontext und zu welchem Zweck diese Feststellung getroffen wird, auf welchen Le- bensbereich oder welche soziale Rolle sie bezogen wird, ob und in welchem Sinne jene Person(en), über die dies ausgesagt wird, sich als jüdisch verstanden hat/haben u.v.m. Die Entscheidung, ob und wann jemand als Jude apostrophiert werden soll, erfordert ein hohes Maß an Differenzierungsvermögen, ansonsten besteht tatsäch- lich, wie Gombrich und Feilchenfeldt befürchten, die Gefahr, dass eine derartige Etikettierung die betreffende Person lediglich stigmatisiert. Allerdings sind jene Fälle nicht selten, in denen die Tatsache, dass eine oder mehrere Personen jüdisch ist/sind, in einem bestimmten Kontext relevant und deshalb erwähnenswert ist, in denen aber beispielsweise über die jüdische Identität einer Persönlichkeit kaum oder nichts be- kannt ist oder nicht ein Einzelindividuum, sondern ein größeres jüdisches Kollektiv im Mittelpunkt einer Darstellung steht. Die ‚idealen‘ Rezipienten, die mit dieser Fest- stellung konfrontiert werden, sind dann jene, die sofort den Zweck dieser Kategori- sierung richtig erfassen und vor deren geistigem Auge sich ein überwältigendes, den jeweiligen historischen Hintergrund reflektierendes Spektrum von unterschiedlichs- ten, sich wandelnden jüdischen Identitätsentwürfen darbietet. Da jedoch diese Rezipienten ebenso wie die idealtypischen Schreiber oder Spre- cher, die sich das Etikett Jude/Jüdin zu gebrauchen entschließen, eine Minderheit Vgl. dazu Ernst H. Gombrich, Jüdische Identität und jüdisches Schicksal, S. 50. Vgl. zu dieser Problematik auch : Konrad Feilchenfeldt, „Die Wiederentdeckung des ‚Juden‘ in der Neue- ren deutschen Literaturwissenschaft nach 1945“, in : Wilfried Barner und Christoph König (Hg.), Zei- tenwechsel. Germanistische Literaturwissenschaft vor und nach 1945, Frankfurt am Main 1996 (= Kultur und Medien). S. 231–244.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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