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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 387 -
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Mit einem ›e‹ Kitzmantels Biografie bildet da eher die Ausnahme. Zu den Stärken der Romantrilo- gie gehört, dass sie einer nahe liegenden Versuchung weithin widersteht, wie sie häu- fig biografischer oder fiktional verfremdeter Rückschau in die Kindheit und Jugend narrationsgemäß einhergeht : der Verklärung und nachträglichen Retuschierung des Erlebten. Gleichwohl ist eine gewisse Weichzeichnung im Verhältnis der verschiede- nen ethnischen Gruppen nicht zu übersehen. Bereits das erste Kapitel des Romanwerks (1935–1943), in dem der jüdische Großgrundbesitzer Wolf Mohylewski zum Kongress der „Gesetzestreuen Juden“ nach Wien fährt, markiert den intellektuellen Rahmen, innerhalb dessen sich der Roman bewegt. Umgekehrt ist es auch – der Onkel fährt nach Westen, der Neffe anschließend nach Osten – die Geschichte der Heimkehr eines verlorenen Sohnes auf der Suche nach seinen kulturellen Wurzeln. Morgenstern selbst, erfolgreicher Journalist und Autor in Deutschland, ist ein Bürger zweier Welten : ein Vertreter der verlorenen ostjüdischen Heimat und ein Bewohner der Moderne, ein Freund und Weggefährte Alban Bergs und ein entschiedener Kontrahent Theodor Wiesen- grund-Adornos. In der Romantrilogie wird eine ganz Palette möglicher jüdischer Identitätskonstruktionen sichtbar : Die Bandbreite reicht vom Festhalten an einem religiösen Judentum über verschiedene Positionierungen innerhalb des Zionismus bis zu Optionen der Akkulturation. Mit diesen Dilemmata befinden wir uns auch in jener literarischen Welt, die Ar- thur Schnitzler etwa in seinem Roman Der Weg ins Freie geschaffen hat, eine schein- bar intakte Welt der späten Donaumonarchie, in der es die jüdische Bevölkerung, nicht generell, aber doch in respektabler Breite zu gesellschaftlichem, politischem und kulturellem Ansehen gebracht hat : Im Salon der Ehrenbergs begegnen wir ein- flussreichen Geschäftsleuten, jungen ambitionierten Politikern, emanzipierten und selbstständigen Frauen, Intellektuellen und erfolgreichen Autoren – kurzum der Welt der Jahrhundertwende. Der Glanz und die Eleganz, die sie verbreitet, sind kaum denkbar ohne diesen großbürgerlichen jüdischen Lebensstil, die erstaunliche Nobe- lesse, die den üblen Beigeschmack des „Noveau Riche“ erst gar nicht aufkommen lässt – eben weil sie von einem intellektuellen Impetus begleitet ist. In der Gestalt des alten Ehrenbergs hat Schnitzler indes eine Figur geschaffen, die – wie viel später Hermann Broch9 – diesem schönen Schein misstraut, nicht zuletzt angesichts eines Siehe Anmerkung 5. Vgl. Soma Morgenstern, Alban Berg und seine Idole, Erinnerungen und Briefe, Lüneburg 1995, S. 117– 128. („Ein Judenjunge aus Frankfurt am Main“.) Vgl. Konstanze Fliedl, Arthur Schnitzler. Poetik der Erinnerung, Wien 1997, S. 213–229. Hermann Broch, Hofmannsthal und seine Zeit, kommentierte Werkausgabe, Bd. 9/1, hg. von Paul M. Lützeler, Frankfurt am Main 1975.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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