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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 388 -
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Wolfgang Müller-Funk immer vernehmlicher werdenden Antisemitismus, in dem Neid, Ressentiment und Nationalismus eine explosive Mischung bilden, bereit, sich in entsprechenden politi- schen, gesellschaftlichen und ökonomischen Krisen zu entladen. Anders als die in Schnitzlers Roman geführten Debatten, findet die Kontroverse der ostjüdischen Freunde Morgenstern und Roth vor einem völlig veränderten politi- schen und kulturellen Hintergrund statt, in einer Ära der Brüche und Zusammenbrü- che, der Kehrtwenden und Unsicherheiten, der Krisen und Konkurse. Die politische Formierung extrem rassistischer und antisemitischer Bewegungen im zentraleuropäi- schen Raum, die an die Vorkriegszeit anknüpfen, diese aber in ihrer Massenwirksam- keit weit übertreffen, ist dabei ein ernstes und unübersehbares Krisensymptom und bildet die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Zionismus und der bereits vor 1933 einsetzenden Einwanderung europäischer, vor allem osteuropäischer Juden nach Palästina. Das einst – nicht nur in Schnitzlers Romanwelt – belächelte Projekt wird unter dem Schutzschild des britischen Kolonialismus historische Wirklichkeit. Morgenstern selbst hat, ungeachtet seiner Kritik an Joseph Roth, seine Heimat nicht im neuen Staat Israel gefunden, obschon er zeitweilig mit dem Zionismus sym- pathisiert haben mag, sondern in der Diaspora, dort also, wo uns Joseph Roths „jü- dischster“ (wenn man so etwas überhaupt sagen darf) Roman Hiob führt : in die Stadt, in der Mendel Singer – wie all die europäischen Flüchtlinge zuvor – von der weiblichen Allegorie der Freiheit begrüßt wird – so das imaginär verklärte Bild New Yorks stellvertretend für das „neue“ Jerusalem. 0 Kulturwissenschaftlich besehen ist die Frage nach einer spezifisch jüdischen Identi- tät in den nicht unumstrittenen Diskurs zu überführen, der nach der Möglichkeit, jüdische Identität zu konstruieren, fragt. Darum geht es im Kern der Debatte zwi- schen Morgenstern und Roth, wobei im Übrigen nicht ganz klar ist, ob Morgenstern Roths Essay Juden auf Wanderschaft aus dem Jahre 1927 überhaupt gekannt hat – es findet sich in Morgensterns Buch kein expliziter Verweis. In seinem Erinnerungs- buch über Joseph Roth, das aus verschiedenen Aufsätzen zusammengesetzt ist, wird ausschließlich auf persönliche Auseinandersetzungen zwischen den beiden Autoren Bezug genommen. 0 Joseph Roth, Hiob. Roman eines einfachen Mannes, in : Romane in zwei Bänden, Köln 1975, S. 282 (Kap. IX) : „,Jetzt erscheint‘, sagte ein Jude, ,die Freiheitsstatue. Sie ist hunderteinundfünfzig Fuß hoch, im Innern hohl, man kann sie besteigen. Um den Kopf trägt sie eine Strahlenkrone. In der Rechten hält sie eine Fackel. Und das schönste ist, dass diese Fackel in der Nacht brennt und dennoch niemals ganz verbrennen kann. Denn sie ist nur elektrisch beleuchtet. Solche Kunststücke macht man in Amerika.‘“ Das säkulare Heilsversprechen wird, ganz analog zu den falschen Korallen, durch den Hinweis auf die technischen Mittel entzaubert.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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