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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 393 -
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Mit einem ›e‹ dukt mehrer Rassenmischungen, und ihr Vaterland ist dort, wo man sie zwangsweise in eine militärische Formation einreiht.“ Die historische Verfehlung der Habsburgermonarchie bestehe darin, dass sie diesen kulturell vielfältigen Raum nicht erhalten konnte. Ganz offenkundig unterschätzt Roth an dieser Stelle jene Eigendynamik nationaler Homogenisierung, wie sie in der heutigen Nationalismus-Forschung hervorgehoben wird. Dieser Raum ist symbolisch aber auch dadurch gekennzeichnet, dass die Men- schen, von einer tiefen „Sehnsucht nach dem Westen“ befallen, von bzw. aus ihm wegstreben, sich aus ihm entfernen, eine Sehnsucht, die tiefer liegt als im Bereich des Ökonomischen und Sozialen und der Roth in der Erzählung vom Leviathan eine gleichsam mythische Bedeutung gegeben hat : die Sehnsucht nach dem „glatten Raum“ des Ozeanischen. Die Moderne und der Westen tauchen in der Erzählung auf doppelte Weise auf, als mythisches Versprechen und – in Gestalt des ungarischen Rivalen Lakatos, der mit falschen, künstlichen Perlen handelt, als satanisches Ver- hängnis. Die Sehnsucht des Ostjuden nach dem Westen impliziert eine Projektion auf die westliche Welt, deren Ausstaffierung zu einer Märchenwelt ; das ist das kulturelle Schicksal all der armen Menschen, die sich aus den Peripherien der global werdenden Welt in deren Metropolen bewegen, in Roths Romanen ist das vornehmlich New York. Das Ostjudentum setzt sich Roth zufolge – wie auch heutzutage – aus den kleinen Leuten zusammen, aus Proletariern, Kleinhändlern, Kleinhandwerkern. So- zial besehen besteht, so ließe sich anfügen, kein merklicher Unterschied, abgesehen davon, dass die emigrierenden Ostjuden, anders als Griechen und Süditaliener, sich am wenigsten aus dem ländlich-bäuerlichen Milieu rekrutieren. Was sie von all diesen MigrantInnen unterscheidet, ist indes eine kulturelle Dimension : die Erinnerung an das Exil und deren messianische Überwindung. Die fremde Welt wird zur Leinwand eigener Wünsche : „Der Ostjude“ (wie der Anatolier unserer Tage) weiß in seiner Heimat nichts von der „sozialen Ungerechtig- keit des Westens“. Er sieht nicht die Vorzüge seiner Heimat, die „Schönheit des Os- tens“. Die Idealisierung der neuen Heimat geht Hand in Hand mit der „schmerzlosen Aussichtslosigkeit des jüdischen Gebets“ . New York, das zweite Jerusalem, sowie das dritte Jerusalem, das Jerusalem der Zionisten, ist nicht länger ein messianisches Ziel, sondern eine säkulare Version : „Auch diese Juden leben nicht mehr im Getto, Ebd., S. 834. Vgl. Umut Özkirimli, Theories of Nationalism, London 2000, S. 85–166. Gilles Deleuze, Felix Guattari, Tausend Plateaus (Kapitalismus und Schizophrenie, Bd. 2), aus dem Fran- zösischen von Gabriele Ricke, Berlin 1992. Roth, Juden auf Wanderschaft, o. S.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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