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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 416 -
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Seite - 416 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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1 Klaus Hödl Positionierung der österreichischen Juden im Gebilde der Habsburgermonarchie stan- den. Einerseits waren sie Teil eines multi-ethnischen Großreiches ; andererseits wurde ihnen darin kein eigenständiger Platz zugestanden. Wenn sie ihre Zugehörigkeit zu einzelnen Nationalitäten, vor allem den Deutschen oder Polen, betonten, wurde sie von jenen unter Bezugnahme auf biologische Kriterien in Abrede gestellt. Juden reagierten in unterschiedlicher Weise auf diese Situation. Teile von ihnen wollten den Trend zur Homogenisierung des Nationalen aufhalten und aufbrechen, andere wiederum eine eigene Stellung unter den verschiedenen ethnischen Gruppen finden und für sich reklamieren. Dazu gehörten beispielsweise die Konzepte einer jüdischen Nationalität im Rahmen der Monarchie, wie sie Josef Samuel Bloch vor- legte. Auf die Hinterfragung der nationalen Exklusion verweist wiederum ein Vortrag des jüdischen Arztes Moritz Benedikt, den er im Januar 1899 vor der jüdisch-natio- nalen Lesehalle hielt. Dabei sprach er über das Verständnis von „anderswerthig“ und „minderwerthig“. Er führte aus, dass „anderswerthig“ Unterschiede bezeichne, wie sie zwischen Mann und Frau bestünden oder zwischen wie auch unter den einzelnen Völkern, Nationen und Rassen existierten. Das „Andere“ bzw. „Anderswerthige“ wird von Benedikt als ein fester Bestandteil der realen Lebenswelt bezeichnet. Da- raus konnte gefolgert werden, dass die Unterscheidung zwischen Juden und Nicht- juden keinen anderen Stellenwert als die zwischen den Individuen derselben Ethnie hatte. Benedikt spricht sich somit deutlich gegen die Vorstellung biologisch/rassisch definierter Großgruppen aus. Als „minderwerthig“ gelten für ihn demgegenüber be- stimmte Kranke wie Epileptiker und „Schwachsinnige“, aber auch Kriminelle. Es handelt sich dabei um Menschen, die es in allen Gemeinschaften gibt. Die Unterminierung vor-gegebener nationaler oder ethnischer Kategorien wurde auch bei den Faschingsfeiern vorgenommen, und das in doppelter Weise : Einerseits wurden die (Berg-)Bauern als eigener ethnischer Typus vorgeführt. Obwohl sie ge- wöhnlich zu größeren Volksgruppen gezählt wurden, galten sie beim Kostümfest als partikulare Entität. Damit hatten gängige, ideologisch bedingte wie auch wis- senschaftlich-anthropologische Kriterien, nach denen Gemeinschaften in der Regel Jacob Toury, „Josef Samuel Bloch und die jüdische Identität im österreichischen Kaiserreich“, in : Walter Grab (Hg.), Jüdische Integration und Identität in Deutschland und Österreich 1848–1918, Tel Aviv 1984, S. 41–63. Oesterreichische Wochenschrift 4, 1899, S. 77. In diesem Zusammenhang ist sehr interessant darauf hinzuweisen, dass Benedikt auch für seine Publi- kationen über Krankheitsneigungen bei Juden bekannt war und bestimmte Dispositionen orthodoxen Juden zuschrieb. Siehe Moritz Benedikt, „The Insane Jew. An open letter to Dr. C. F. Beadles“, in : Journal of Mental Science 47, 1901, S. 503–509.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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