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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 428 -
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Seite - 428 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Brigitte Dalinger einen für das Theater in jiddischer Sprache mit seiner spezifischen Ästhetik ; und zum anderen für Theatertexte bzw. Vorstellungen in deutscher Sprache, mit Wiener Dia- lekt, die zahlreiche Ausdrücke und Einsprengsel besonders aus dem westjiddischen Sprachzweig enthalten. „Jargon“ ist einerseits ein Ausdruck, mit dem die voll durchgebildete und zur Li- teratursprache entwickelte jiddische Sprache bezeichnet wurde. Ein Beispiel dafür findet sich etwa in einem Schreiben der Israelitischen Kultusgemeinde an die Thea- terzensurbehörde 1890, als Letztere die Kultusgemeinde um eine Stellungnahme zu einer geplanten jiddischen Theateraufführung bat. Die Meinung der Kultusgemeinde war, dass das Stück – Abraham Goldfadens Sulamith – durchaus akzeptabel sei, aber : „Aber der Jargon vereitelt Alles und der gefertigte Vorstand kann, zumal angesichts der jetzigen antisemitischen Strömung, von der Aufführung nur abrathen. Die Auf- führung, welche den Christen fast gar nicht, den Juden nur theilweise verständlich sein wird, würde für gewisse Kreise nur Anlaß zur Verspottung des Judenthums, viel- leicht zum Skandal geben.“ Deutlich wird, dass die jiddische Sprache von diesem Verfasser, einem akkultu- rierten Wiener Juden (1890), nicht als solche anerkannt ist. Sie wird zum „Jargon“ degradiert, und die Träger dieses „Jargons“ werden als Gefährdung empfunden. Ihre Intention, die jiddische Sprache von der Bühne eines großen Theaters her erklin- gen zu lassen, könnte antisemitische Ausschreitungen hervorbringen. Die jiddische Sprache, mit der die Wiener Juden nichts anzufangen wussten, erschien ihnen als gefährlich, da die Akkulturation bedrohend. Diese Distanz der Wiener Juden zum Jiddischen verringerte sich im Lauf der Zwanziger- und Dreißigerjahre beziehungs- weise verlagerte sich. Jiddisch wurde durchaus als Literatursprache anerkannt, es gab auch propagandistische, etwa zionistische, Theaterstücke in jiddischer Sprache. Das ist eine Entwicklung, die sehr deutlich an der Rezeption jiddischer Literatur und auch des jiddischen Theaters zu sehen ist, die Sprache war so weit interessant, als sie zur Heranbildung eines nationalen Bewusstseins eingesetzt wurde, als ein Mittel, zur jüdischen Identität zurückzuführen. Im privaten Rahmen aber, im inneren Kreis einer Familie, einer sozialen Schicht, wurde es vermieden, Jiddisch zu sprechen oder Worte „im Jargon“ zu benutzen. Fami- lien mit jiddischsprachigem Hintergrund, die nach Wien kamen, sorgten dafür, dass ihre Kinder ein „reines“ Deutsch erlernten. Schreiben des Vorstands der israelitischen Cultusgemeinde an die k. k. Polizei-Direction Wien vom 15. Juli 1890. Abgedruckt in : Brigitte Dalinger, Quellenedition zur Geschichte des jüdischen Theaters in Wien, Tübingen 2003 (Contition Judaica 42), S. 113. Die Orthografie sowie die Hervorhebung folgen dem Original. Belegbar durch zahlreiche Autobiografien, Interviews, etwa mit Benno Weiser-Varon.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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