Seite - 442 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Bild der Seite - 442 -
Text der Seite - 442 -
Birgit Peter
Bedeutung als Theaterstadt historisch aufzubereiten. Im Ausstellungspark wurde der
Hohe Markt Ende des 17. Jahrhunderts als „Alt-Wien“ nach Entwürfen von Oskar
Marmorek nachgebaut. Die eigens dort errichtete Schaubühne des Hanswurst diente
dazu, den Besuchern „die Entstehung und Entwicklung der Posse aus der volksthüm-
lichen ‚Kreuzer-Comödie‘ und den Darstellungen des ‚Hanswurst‘ seit Prehauser und
Stranitzky“9 vorzuführen. Künstlerischer Leiter war Gabor Steiner, dessen Venedig in
Wien einige Jahre später dieses Erfolgskonzept ausbauen wird (wieder gemeinsam mit
Oskar Marmorek). Die moderne Theaterentwicklung, internationale Theaterkunst
wurde in dem von den Architekten Fellner & Helmer entworfenen „Internationalen
Ausstellungstheater“ gezeigt.
Wie bekannt und in vielen Aspekten untersucht, spielte das jüdische Bürgertum
eine bedeutende Rolle für die Kulturproduktion Wiens. 0 Stefan Zweig schreibt in
seinem berühmten historisch-essayistischen und literarischen Rückblick Die Welt von
gestern, dass diese Gesellschaftsschicht des „guten jüdischen Bürgertums“, der Zweig
ebenso wie Pick, Richter und Sonnenthal angehörten, „der Wiener Kultur so wesent-
liche Werte gegeben hat und zum Dank dafür völlig ausgerottet wurde […]“. Teil
dieser Werte war etwas, das sich am ehesten als „Atmosphärisches“ möglicherweise
auch in Assoziation zu Walter Benjamin als Auratisches einer Stadt umschreiben lässt.
Die bedeutende Rolle, die Musik und Theater bei der Produktion und Konstruktion
dieser Stadtatmosphäre einnahmen, lässt sich durch die folgende Darstellung Zweigs
belegen : „[…] der erste Blick eines Wiener Durchschnittbürgers in die Zeitung galt
allmorgendlich nicht den Diskussionen im Parlament oder den Weltgeschehnissen,
sondern dem Repertoire des Theaters, das eine für andere Städte kaum begreifliche
Wichtigkeit im öffentlichen Leben einnahm. Denn das kaiserliche Theater, das Burg-
theater war für den Wiener, für den Österreicher mehr als eine bloße Bühne, auf der
Schauspieler Theaterstücke spielten ; es war der Mikrokosmos, der den Makrokosmos
spiegelte, der bunte Widerschein, in dem sich die Gesellschaft selbst betrachtete, der
einzig richtige ‚cortigiano‘ des guten Geschmacks.“
Ein weiteres Merkmal dieser Theater- und Musikleidenschaft ist das harmonische
Zusammenspiel von hochkultureller und populärkultureller Kunstproduktion. We-
cial-Ausstellung, hg. von der Ausstellungs-Commission. Wien : Verlag der Ausstellungs-Commission
1892.
Internationale Ausstellung für Musik- und Theaterwesen Wien 1892, S. 128.
0 Carl E. Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, Frankfurt am Main 1982 ; Gerhard Botz,
Ivar Oxaal, Michael Pollak (Hg.), Eine zerstörte Kultur. Jüdisches Leben und Antisemitismus im Wien seit
dem 19. Jahrhundert, Buchloe 1990 ; Botstein, Judentum und Modernität u. v. m.
Stefan Zweig, Die Welt von gestern, Frankfurt am Main 1996, S. 20.
Ebd., S. 30.
zurück zum
Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519