Seite - 452 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Birgit Peter
scheint sein Name nicht auf, Alfred Pick berichtet, erst der Verleger habe ihn nötigen
müssen : „Sollte es Ihnen dennoch unangenehm sein, Ihre Anonymität preiszugeben, so
müsste ich um die Ermächtigung bitten, für Sie zu zeichnen, da ohne die ausdrückliche
Einwilligung des Autors die Firma keine Komposition durch Druck veröffentlicht.“
Offenbar wurde keine Tantiemenregelung mit dem Verleger getroffen, denn Arthur
Schnitzler erinnert sich daran, dass Gustav Pick sich „noch als Achtziger, nicht mit Un-
recht, immer wieder bitter beklagte“, dass er keinerlei Tantiemen für seine Schöpfung,
hingegen der „geschickte Verleger Hunderttausende“ daran verdiente. Alfred Pick
betont die Eigenwilligkeit seines Vaters, denn auch bei anderen Kompositionen wollte
dieser seinen Namen nicht veröffentlichen. Beim ebenfalls von Girardi vorgetragenen
„Deutschmeister Marsch“ 1893 zeichnete Gustav Pick mit „Text und Musik vom Kom-
ponisten des Fiakerlieds“. Dass Antisemitismus eine Rolle spielte – auch wenn sein
Sohn das 1925 nicht ausspricht –, zeigt sich beispielsweise an der Herausgabe einer
Sammlung von Wienerliedern der Stadt Wien, in der das Fiakerlied trotz der großen
Popularität nicht aufgenommen wurde : „Ist es mir ein Rätsel, dass es in der von Eduard
Kremser im Auftrage der Gemeindeverwaltung der Stadt Wien vor Jahren in zwei Bän-
den herausgegebenen Sammlung von Wiener Liedern und Tänzen nicht enthalten ist.
Erst als vor einigen Monaten der dritte Band dieser Sammlung erschien, erfuhr ich den
Grund : der Verleger Cranz verweigerte seine Zustimmung zur Aufnahme des Fiaker-
lieds in diese Sammlung ! Seine Motive sind mir unergründlich !“ 9
Im Vorwort des ersten Bandes findet sich eine bewerkenswerte Passage von Edu-
ard Kremser, er beschreibt die Gefahren, die dem Wienerlied gegenwärtig drohen :
Einmal seitens der Salons, durch den Einfluss des Walzers würde das Wienerlied
mit Hilfe „moderner Harmonien“ zu einem Salonlied im Wiener Dialekt degradie-
ren. „Alles an diesen Liedern ist falsch und erlogen.“ 0 Als zweiten Grund nennt er
„fremde Elemente“ : „Es mag auch sein, daß der Zuzug fremder Elemente, der das
Wiener Volk in der letzten Zeit durchsetzt hat, eine Bevölkerung geschaffen hat, die
insbesondere dem Wiener Liede fremd gegenübersteht. Aber von dieser Seite droht
unserem Wiener Lied, wie ich glaube, keine Gefahr. Die Erfahrung lehrt uns, daß die
Nachkommen dieser Fremdlinge meist zu eingefleischten Wienern werden, daß sie
sogar suchen, den bodenständigen Wiener, wenn dies überhaupt anginge, noch zu
überwienern.“
W. Rab, 16. Mai 1885, zit. nach Pick, „Wann i mi so derinner …“, S. 19.
Schnitzler, Jugend in Wien, S. 238.
Pick, „Wann i mi so derinner …“, S. 19.
0 Eduard Kremser, „Vorwort“, in : Wiener Lieder und Tänze. Im Auftrage der Gemeindevertretung der Stadt
Wien, hg. von Eduard Kremser. Bd. 1. III durchgesehener Neudruck, Wien 1912, S. 6.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519