Seite - 454 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Birgit Peter
Verzeihendes Vergessen?
Abschließend soll hier noch auf einen Nachfolger Gustav Picks, den Wienerliedkom-
ponisten und -interpreten Hermann Leopoldi eingegangen werden. Ganz im Gegen-
satz zu Pick ist sein Name auch gegenwärtig populär.
Der Musikhistoriker Ernst Weber ordnet Leopoldi dem Schlager Wiener Prägung
zu, schreibt aber von der „Sonderstellung“ Hermann Leopoldis, „dessen Lieder nicht
so sehr dem aktuellen Trend der internationalen Schlagermusik folgten, sondern von
einer ganz persönlichen wienerischen Note geprägt waren […]“.
Leopoldi wurde 1888 als Hermann (Hersch) Kohn in Meidling geboren, sein Vater
Leopold Kohn trat unter dem Künstlernamen Leopoldi auf. Er war Musiker im Feld
der „Wiener Wirtshauskultur“, begleitete Wiener Volkssänger, beispielsweise im Eta-
blissement Klein in Hernals. Hermann Leopoldis Mutter Hermine, geborene Wiener,
war die Tochter des Haushofmeisters von Anselm Rothschild. Sein älterer Bruder,
Ferdinand (geb. 1886), war ebenfalls Musiker, die beiden traten gemeinsam am Dop-
pelklavier auf und galten als lokale Berühmtheiten. Interessant ist die Tatsache, dass
die Namensänderung erst 1921 vom Wiener Magistrat genehmigt wurde – er aber
vorher offizielle Dokumente, wie den Ausweis der Internationalen Artistenorganisa-
tion, 1919 auf den Namen Leopoldi ausgestellt bekam.
Seine Berufsbezeichnung war Klavierhumorist, kurzfristig leitete er mit dem popu-
lären jüdischen Komiker Fritz Wiesenthal das Etablissement LW (1922–1925) in der
Rothgasse in Wien. Mit seinen Kompositionen und Interpretationen des Wienerlieds
belebte er das Genre, ließ in ihm gegenwärtige Bedürfnisse einfließen. Seine Texter
waren Peter Herz, Fritz Grünbaum, Hans Haller, Salpeter (Karl Pollach), Wau Wau
(Theodor Waldau), Fritz Löhner Beda, u.v.m. Er kann als Lokaljournalist gesehen
werden, seine Kompositionen und Interpretationen lassen ihn als Dokumentaris-
ten Wiens der Zwanziger- und Dreißigerjahre erscheinen. Thematisiert werden die
Landschaft von und um Wien, die Weinberge, Orte wie Grinzing und Hietzing, Ty-
Wiens Kulturstadtrat Mailath Pokorny wählte bspw. „Schön ist so ein Ringelspiel“ für seinen Auftritt
beim Wienerlied Festival „Wean hean“ aus. Kurt Ostbahn schreibt im Profil, 22.2.1999, vom urwieneri-
schen Schaffen Hermann Leopoldis.
Ernst Weber, „Das moderne Wiener Schlagerlied“, in : Musik, S. 357–360, S. 359.
Bemerkenswert sind auch Fehler in der Biografieschreibung. Orpheus Trust schreibt z. B., er wäre als
Ferdinand Kohn geboren, das ist sein Bruder, mit dem er in den frühen Jahren als Brüder Leopoldi
am Doppelklavier auftrat. (Eintrag Karteikarte Wienbibliothek Zeitungsdokumentation, „Vor dem
13.4.1945 im Wiener Jüdischen Spital“ NÖ 21.5. 1945, S. 4). Wienbibliothek, M. Abt. 50/3113/3/II,
Vermerk auf Karteikarte 1949.
Siehe : Hans Weiss und Ronald Leopoldi, In einem kleinen Café in Hernals. Hermann Leopoldi. Eine Bild-
biografie, Wien : edition trendS, o.J.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519