Seite - 475 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Frau Breier aus Gaya meets The Jazz Singer
ist Christian-Morgenstern-Erfindung (abwandelbar durch alle Fälle) und gemeine
Realität ; kündet einen Bezirk, stellt ihn aber durch die Vorsilbe wieder unbestimm-
bar in Frage. Das ist die ganze Frau Werbezirk, dieser unwahrscheinliche Fauxpas
der Schöpfung, dieses Jargonwunder an Leib, Seele und Stimme !“ Wenn Kuh in
dem Text abschließend resümiert : „Eine Geflügelfrau könnt einen Lessing lehren“,
so können wir gewiss sein, dass auch er in die Praterstraße gepilgert ist, um „Sali, die
Weise“ zu sehen.
Doch zurück zur Handlung im Stück : Sali Breier hat nun alle Hände voll zu tun,
ihren Sohn David aus den Wiener Schwierigkeiten zu befreien, um ihn zurück nach
Gaya zu bringen, wo er in seiner Abwesenheit zum „Hauptmann der freiwilligen
mosaischen Feuerwehr“ ernannt worden ist und wo Sali inzwischen auch ein Mädel
aus Ungarisch-Hradisch heiraten soll, aus einer Stadt also, die zwar größer als Gaya
ist, aber im Wien der damaligen Zeit wohl als Synonym für die totale Provinz gel-
ten musste. Doch David interessiert vorerst nur, wie er sich aus dem Hier und Jetzt
befreien kann. Und seiner Mutter Sali ist jedes Mittel recht, um die Unschuld des
Sohnes zu beweisen. Als im feinen Haus ihres Bruders ein Empfang stattfindet, nutzt
Sali den Anlass, dieser Gesellschaft gnadenlos einen Spiegel vorzuhalten. Vor dem
Fest haben Maurice und Yvonne Kron-Korn bereits gewisse Vorahnungen und Be-
fürchtungen, und sie haben sie zu Recht :
„Yvonne : ,Ich glaube Maurice, Du solltest Deine Schwester – taktvoll natürlich – darauf
aufmerksam machen, ihren Aufenthalt in Wien tunlichst abzukürzen. Sie macht uns
lächerlich […] mit ihren sonderbaren Manieren. Und dieser David --- quel horreur !‘
Kron : ‚Was ist das wieder für eine antisemitische Bemerkung ?‘
Yvonne : ,Deine ganze Verwandtschaft – impossible !‘
Kron : ,Du vergißt teure Yvonne, dass dein Stiefvater, dem deine Erziehung anvertraut war,
Omnibuskutscher gewesen ist, bevor er die Komfortablelizenz bekommen hat – ich will
übrigens nichts gesagt haben – es gibt auch sehr anständige Einspänner.‘
Yvonne : ,Maurice, du redest wieder mit den Händen. In unseren Kreisen --‘
Kron : ,Nimmt man mit den Händen. Das ist in Lerchenfeld genau so wie in der Leopold-
stadt eingeführt. Ihr kennt meine Ansichten und das genügt hoffentlich. Uebrigens wol-
len wir heute nicht streiten – an so an Tag – das Fest soll durch keinen miessen Ton
gestört werden.‘“
Anton Kuh, „Bezirk der Werbezirk“, in : Ruth Greuner [Hg.], Luftlinien. Feuilletons, Essays und Publizis-
tik, Wien 1981, S. 449–451.
Frau Breier aus Gaya, Ebd., S. 57.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519