Seite - 478 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Bild der Seite - 478 -
Text der Seite - 478 -
Werner Hanak
hier aber unterschiedlich zurechtkom-
men. Die Konflikte laufen jedenfalls
nicht zwischen Religion und säkularer
Welt, diese Front wird in Wien beinahe
lässig umgangen, quasi im „Schmäh
gestreift“. Die „israelitischen Lebern,
diese schwer verdaulichen rituellen
Nahrungsmittel“ sind dafür ein plasti-
sches Beispiel. Alle Protagonisten sind
assimiliert, als Unterscheidung und
Waffe gegen die Umwelt besitzen sie
den jüdischen Witz, das Wortspiel mit
jiddischen Wörtern im Jargon ist ein
wichtiger Teil davon.
Die Verlagerung des Generationen-
konflikts auf die Stadt-Land-Ebene hat
natürlich auch mit den unterschiedlichen
Voraussetzungen in Wien und New York
in den Zwanzigerjahren zu tun. Wien
verfügte damals noch über ein ländliches
Umland, in dem es zahlreiche jüdische
Gemeinden gab. Der Konflikt, der sich
aus der Stadtflucht ergab, war einer, der einen großen Teil der Zuschauer an ihre
eigene Herkunft oder an die ihrer Eltern erinnern musste. In den usa hingegen gab
es kaum ein nennenswertes traditionelles Landjudentum, ein Großteil der aus Europa
eingewanderten Juden war zumeist in den Großstädten angekommen oder erst nach
einem Aufenthalt in den Großstädten in die Provinz weitergezogen.
Bemerkenswert ist auch die Gemeinsamkeit der Analogie zwischen Rollen und
DarstellerInnen bei the JaZZ singer und Frau Breier aus Gaya. Bei Al Jolson ist die
Kongruenz mit seiner Rolle Jakie Rabinowitz noch höher, war Jolson doch auch ein
Sohn eines standhaften Kantors und Rabbis, der aus Russland zugewandert und da-
rüber entsetzt war, dass sich sein Sohn der säkularen Welt so weit öffnete. Aber auch
Gisela Werbezirk war ihren Rollen, die sie in der Leopoldstadt verkörperte , weit
entgegen gekommen : Wie die meisten der von ihr verkörperten Frauen stammte auch
Neben der Frau Breier aus Gaya (1923) spielte sie u. a. Hulda Pessl in Hulda Pessl in Venedig (1925), Mali
Porlitzer in Die Würstelbraut (1926), Paula Pelikan in Paula Pelikans Pleite (1926) und Epsteins Witwe
(1926).
Abb. 5: Ankündigung der Filmpremiere in der Zeit-
schrift Der Filmbote, März 1926
zurück zum
Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519