Seite - 479 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Bild der Seite - 479 -
Text der Seite - 479 -
Frau Breier aus Gaya meets The Jazz Singer
sie aus einem der nahen ehemaligen Kronländer. Sie kam in Bratislava zur Welt, das in
ihrem Geburtsjahr 1875 innerhalb der Monarchie zu Ungarn gehört hatte.
Kulturelle Diversitäten
So wie das Bühnenstück The Day of Atonment als the JaZZ singer für die Leinwand
adaptiert wurde, so wurde auch die Frau Breier aus Gaya verfilmt und kam unter dem-
selben Titel im März 1926 in die Kinos. Den Erfolg des Bühnenstücks konnte der
Film nicht erreichen. Und obwohl die Österreichische Filmindustrie Ges.m.b.H. den
Film als „Lachschlager des Jahres“ anpries und das Kinojournal begeistert schrieb,
dass man jetzt scheinbar „auch ohne Worte den Jargon beherrschen kann und dass
der Film sogar zu jüdeln vermag“ 9, war es wohl doch die unhörbare Sprache der
Werbezirk im Stummfilm, die wesentlich zum geringen Publikumsinteresse am Film
beitrug. Zudem konnte die komplette Verfilmung jenen besonderen Reiz, den das
Theaterstück durch seine konzeptionell so spannend gelagerten Filmeinspielungen
erreicht hatte, nicht bieten. Vielleicht fehlte dem Film auch einfach die Genialität
von Karl Farkas, der das Stück, nicht aber den Film inszeniert hatte. Eine qualitative
Bewertung des Films Frau breier aus gaYa bleibt jedoch schwierig – er gilt als
verschollen.
Mit der Premiere von the JaZZ singer im Jahr 1927 brach für den Film in den
usa und danach auch in Europa eine neue Ära, die Zeit des Tonfilms, an. Als Frau
Breier aus Gaya 1923 an der Rolandbühne mit den Filmeinspielungen uraufgeführt
wurde, stand Österreichs Filmindustrie ebenfalls am Zenit. Als das Werk dann al-
lerdings für das Kino verfilmt wurde, fehlte bereits das große Geld. Die inzwischen
erreichte Stabilisierung der Währung durch die Einführung des Schillings hatte den
Export der Filme um vieles verteuert, was die ganze Industrie schrumpfen ließ. Viel-
leicht ist aber auch die Verfilmung der Frau breier aus gaYa einfach zu früh ge-
kommen. Vielleicht hätte dieser Film einige Zeit später – und hier begebe ich mich
nun in den spekulativen Raum ohne weitere Bodenhaftung – als erster österreichi-
scher Tonfilm die gesamte österreichische Filmindustrie wieder in die richtige Um-
laufbahn geschossen, in der sie wieder zu rotieren begonnen hätte. Mit der Werbezirk,
„diesem unwahrscheinlichen Fauxpas der Schöpfung, diesem Jargonwunder an Leib,
Seele und Stimme“, wäre das vielleicht gelungen.
Der Filmbote, März 1926, Nr. 5, S. 21.
Kinojournal, 6.3.1926, 18. Jg., Nr. 814, S. 16, für den Recherchehinweis möchte ich mich bei Nina
Werderitsch und Thomas Ballhausen bedanken.
zurück zum
Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519