Seite - 26 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Einleitung
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mannsdorfer Anton → Trampitsch, der 1840 ge-
boren wurde und mit 17 sein Heim verließ, wurde in
Frankreich als Slowene rezipiert und scheint in keiner
→ Quelle als »Kärntner« auf, sondern als Slowene. Ein
Hinweis darauf, dass in jener Zeit die nationale Iden-
tität »Slowene« durchaus gefestigt war und über das
eigene Kronland hinausreichte. Noch zu Zeiten der
Monarchie wanderten in die Untersteiermark/Spodnja
Štajerska nahmhafte Kärntner Slowenen aus und nah-
men regen Anteil am gesellschaftlichen und politischen
Leben. Dr. Jernej → Glančnik, gebürtig aus St. Ste-
fan/Šentštefan bei Völkermarkt/Velikovec, zählt zu
den Gründervätern des slowenischen Genossenschafts-
und Bankwesens in Maribor und war einer der Erbauer
des Kultur-, Vereins- und Veranstaltungszentrums
Narodni dom [Volkshaus], das sich ethnopolitischen
und identitätsverteidigenden Aufgaben widmete. Die
Mitglieder der → Serajnik-Familie (Domicijan, Vater,
Sohn und Enkel, sowie Franjo) exportierten gleichsam
ihre kärntnerslowenischen Kulturmuster aus St. Jakob
im Rosental/Šentjakob v Rožu bzw. aus St. Egyden/
Šentilj ob Dravi und gründeten und leiteten zahlreiche
Chöre – wenn auch wahrscheinlich aus einer gewissen
Wehmut, denn Domicijan Vater war dem deutschnati-
onalen Druck gewichen und ausegwandert. Der Maler
und Architekt Domicijan → Serajnik der Jüngste, der
bereits in Slowenien geboren worden war, gestaltete u. a.
Elemente der Inneneinrichtung des slowenischen Na-
tionalversammlung (1958).
Bedeutende politische Funktionen, wie die eines
Landtagsabgeordneten, hatten auch zahlreiche wei-
tere slowenische Politiker inne : Rudolf → Blüml,
Albert →
Breznik, Lambert → Ehrlich, Gregor
→ Einspieler, Anton → Falle, Franc →
Grafe-
nauer (der Orgelbauer, auch Gemeinderat in Egg/
Brdo), Johann → Kazianka, Gregor → Kersche,
Karl →
Mikl, Vinko →
Möderndorfer, Franc
→ Muri (auch Bürgermeister von Jezersko), Janko
→ Ogris, Franc →
Petek, Vincenc (Vinko) → Pol-
janec, Ivan → Starc, Joško → Tischler, Vinko
→ Zwitter. Sie zeichnen noch ein Bild einer weitge-
hend intakten slowenischen Gesellschaft, die – abgese-
hen von den höchsten politischen Ämtern und höchs-
ten Wirtschaftseliten im Land – noch ein sehr breites
Spektrum bot und eben noch nicht → »Minderheit«
war, und zwar weder faktisch noch rechtlich bis zum
→ Vertrag von Saint-Germain.
Die institutionellen Grundlagen für eine solche de-
mokratische Vertretung und Mitgestaltung sollten in der Folge allerdings immer mehr reduziert werden. So
manche wurden bereits 1920 in die → Emigration ge-
trieben und hinterließen für Generationen eine geis-
tige Lücke. So wurden Albin → Poznik Bürgermeister
von Novo mesto, Fran → Schaubach Bürgermeister
von → Maribor, Jurij Matej → Trunk seinerseits emi-
grierte in die USA und wirkte dort. Zahlreich waren
auch die vertriebenen slowenischen Priester jener Zeit,
von denen manche nie, andere nur sehr spät zurückkeh-
ren konnten.
Ab Juli 1914 wurden slowenische Priester wegen
vorgeblicher Serbophilie systematisch verhaftet, schi-
kaniert und unschuldig zu schwerem Kerker verurteilt
(→ Internierungen 1919, I. → Brabenec). Insbe-
sondere aber wurden ab 1918/19 über 40 slowenische
Priester (sog. Sodale) aus Kärnten/Koroška gewaltsam
vertrieben (→ Sodaliteta). Das bedeutete insgesamt
einen äußerst schweren Verlust von Humanressourcen
unter den Kärntner Slowenen und hatte nachhaltig
negative Auswirkungen für das ganze Volk bzw. die
Volksgruppe im Land (→ Vertreibung 1920). Zu den
vertriebenen Sodalen zählen nach Vrečar der Grün-
der und Theologieprofessor Lambert → Ehrlich, die
Gründungsmitglieder Janko → Arnejc (Präfekt des
→ Marianums), Janko → Maierhofer (Pfarrer von
Poggersdorf/Pokrče), Franc → Cukala (Kanonikus
in Maria Saal/Gospa Sveta und später Generalvikar
der Diözese → Maribor), ebenso Franc Lasser (Re-
ligionslehrer in Völkermarkt/Velikovec) und Matej
→ Ražun (Gründer der slowenischen Privatschule in
St.
Peter/Šentpeter bei St.
Jakob im Rosental/Šentjakob
v Rožu), Franc →
Smodej (Redakteur der christlichso-
zialen Wochenzeitung → Mir), Janko Arnuš (Er-
bauer eines der ersten Arbeiterheime in Unterloibl/
Podljubelj 1908), Franc Ksaver → Meško, Gregorij
→ Rozman (der spätere Bischof von Ljubljana), Franc
→ Treiber (Gründer der slowenischen Privatschule
in St. Ruprecht bei Völkermarkt/Šentrupert pri Veli-
kovcu [→ Narodna šola]), Jurij → Trunk und Josip
Zeichen (Direktor der Druckerei der → Mohorjeva).
Diese »ethnische Säuberung« sollte sich kaum 20 Jahre
später systematisch unter der Nazi-Gewalltherrschaft
wiederholen.
Insbesondere im 19. Jh. war allerdings Kärnten/
Koroška als historischer Teil → Innerösterreichs auch
politisch eng mit den übrigen innerösterreichischen
Ländern verbunden, wie dies die zahlreichen Biogra-
fien slowenischer Politiker aus den anderen slo-
wenischen →
Kronländern zeigen (Janez → Blei-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55