Seite - 35 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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II. Zeitliche und geografische Eckpunkte
Kreuzwegstation in Poggers-
dorf/Pokrče, Foto Bojan-Ilija
Schnabl
sungsrechtlicher Sicht wenig nachvollziehbaren Grün-
den – noch keine Auswirkungen, die Slowenen werden
darin nicht genannt, sie werden nur durch eine Nega-
tivformulierung bedacht, was nicht dem Geiste des Art.
8/2 aus 2005 entspricht, während in jüngerer Zeit der
Umweltschutz als positiv formulierte Verfassungsziel-
bestimmung in die Kärntner Landesverfassung sehr
wohl aufgenommen wurde. Im Oktober 2015 wurde
im zuständigen Landtagsausschuß für Recht, Verfas-
sung, Europa, Volksgruppen, Bildung, Personal und
Immunität ein Mehrheitsbeschluß zur Abänderung
der Kärntner Landesverfassung gefasst (sog. Punktu-
ationen), wonach die Landesregierung beauftragt wird,
dem Landtag einen Änderungsvorschlag vorzulegen.
Darin soll es nun heißen : »Das Land Kärnten bekennt
sich zu seiner gewachsenen sprachlichen und kulturel-
len Vielfalt. Sprache und Kultur, Traditionen und kul-
turelles Erbe sind zu achten, zu sichern und zu fördern.
Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den
deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten glei-
chermaßen.«
Nicht zuletzt liegt die Bedeutung einer modernen Kul-
turgeschichte, die sich mit dem Slowenischen in Kärn-
ten/Koroška befasst, insbesondere darin, dass diese aufgrund der spezifischen politischen Geschichte der
→ Germanisierung vielfach bewusst ignoriert wurde.
Die deutschnationale Ideologie, wie sie der Histo-
riker Martin → Wutte in der →
Windischentheorie
formulierte, hatte vielfach negative Auswirkungen auf
die wissenschaftliche Forschung (→ Kranzmayer,
→ Lessiak, →
Lexer). In → Grabelsdorf/Grabalja
vas wurden seit der Zwischenkriegszeit archäologische
Forschungen unternommen, doch bezeichnenderweise
erst in jüngerer Zeit → »slawische« Artefakte gefun-
den. Zuvor war alles keltisch oder römisch – nur nicht
verbunden mit der slowenischen Kulturgeschichte.
»Alles, nur nicht slowenisch«, könnte man sagen. Aus
humanistischer Sicht erschreckend ist, mit welcher
»wissenschaftlichen« Akribie bereits im Rahmen des
→ »Generalplans Ost« die Völkervernichtung geplant
wurde, die auch die Slowenen unmittelbar betraf. Er-
schreckend auch, dass sich Wissenschafter in den
Dienst des NS-Mörder- und Verbrecherregimes bega-
ben. (Der Slawist Viktor Paulsen [→ »Entethnisie-
rung«] beteiligte sich als Angehöriger der SS an Plün-
derungen osteuropäischer Archive, was als Grundlage
für »ethnische Flurbereinigungen«, also für → »ethni-
sche Säuberungen« herangezogen wurde). Die ideolo-
gische Belastung bezog sich vor allem aber auch auf
unbewusste Denkmuster der Forscher, sowie jener,
die die entsprechenden Einrichtungen legitimierten
und finanzierten, da auch die Wissenschaft und die
Wissenschafter kognitiven Dissonanzen unterliegen
(→ Geschichtschreibung und kognitive Dissonanzen ;
→ Zweisprachigkeitsideologie). So hatten so manche
der »Wissenschafter« nach dem Zweiten Weltkrieg
angesehene Stellungen in Kärnten/Koroška, so dass es
systemisch bedingt erscheint, dass noch Ende 2011 in
der inzwischen abgebauten ständigen Ausstellung des
Kärntner Landesmuseums im 1. Stock kein einziges
Mal das Wort »Slowene« oder »slowenisch« vorkam.
Jedenfalls bildete die slowenische Kulturgeschichte
im Land kein systemisches Betrachtungselement –
ganz im Unterschied zum Burgenländischen Landes-
museum, das alle im Lande lebenden Volksgruppen
umfassend integriert. Die intensive Zusammenarbeit
mit zahlreichen einst gewiss belasteten Landesinsti-
tutionen im Rahmen der vorliegenden Edition weist
hingegen neue, wissenschaftlich relevante Perspektiven
auf, die auch dem Verfassungsauftrag zum Erhalt und
zur Förderung der österreichischen Volksgruppen der
Bundesverfassung entsprechen und zukunftsweisend
sind.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55