Seite - 56 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Bild der Seite - 56 -
Text der Seite - 56 -
56
Abgeordnete
Josef Ferdinand Fromiller:
Herzogseinsetzung, Wand-
fresko im Wappensaal des
Kärntner Landhauses (1740)
(Foto Gert Eggenberger),
Detail
Millonig forderte etwa eine dem Slowenischen in
Kärnten/Koroška angepasste Sprachnorm der Geset-
zestexte (→ Standardsprache) und »stellte am 24. Ap-
ril 1849 den formellen Antrag, jene Gesetze und Ver-
ordnungen, die in Kärnten zur Verlautbarung kamen,
im slowenischen Dialekt herauszugeben. Millonig
behauptete, dass in Kärnten der ›Krainer Dialekt‹, in
dem die → Übersetzungen der Patente und Kurrenden
abgefasst seien, unverständlich sei« (Domej, 440).
In habsburgischer Zeit zählen ab 1861 zu den zen-
tralen Persönlichkeiten der ethnopolitisch engagierten
Slowenen im Kärntner Landtag Andreas → Einspie-
ler, Franc →
Muri, Gregor → Einspieler, und Franc
→ Grafenauer. Florijan → Ellersdorfer, der sich als
Landtagsabgeordneter einer slowenischen Liste nicht
primär für »slowenische« nationale Belange einsetzte,
wandte sich nach der Volksabstimmung von den slo-
wenischen Belangen gänzlich ab und verkörpert so die
ethnopolitischen Entwicklungen jener Zeit. Nach dem
Ersten Weltkrieg sind wieder regelmäßig identitätsbe-
wusste Slowenen im Landtag vertreten, auch wenn sie
gegen die erdrückende deutschnationale, antisloweni-
sche Mehrheit nichts ausrichten konnten (→ Abge-
ordnete zum Kärntner Landtag – ethnopolitisch en-
gagierte Slowenen). Zumindest aber ließ das System
eine gewisse Vertretung ethnopolitischer slowenischer
Belange im Kärntner Landtag zu, was in den Jahrzehn-
ten nach dem Zweiten Weltkrieg faktisch nicht mehr
möglich sein sollte.
Laut Apih ist Rak (nach Abgleich der Abgeordne-
tenlisten wahrscheinlich Josef Rack, Appellationsrat
aus St.
Andrä
i
L./Šentandraž v Labotski dolini), neben
Rulitz einer von zwei gebürtigen Slowenen aus Kärn-
ten/Koroška, die 1848 in den provisorischen Kremsierer
Reichstag gewählt wurden. Als erster identitätsbwuss-
ter kärntnerslowenischer Abgeordneter im cisleithani-
schen Abgeordnetenhaus des Reichsrates gilt Lambert
→ Einspieler (1897–1901) noch vor Franc →
Grafe-
nauer (1860–1935, Abgeordneter 1907–1916 bzw. bis
1918).
Laut Wiesflecker (hic loco) war Millonigs Sohn,
Johann Millonig (jun.) (1826–1900), ebenfalls langjäh-
riger Bürgermeister der Gemeinde Hohenturn/Straja
vas, in der ersten Hälfte der 1870er-Jahre Landtagsab-
geordneter wie sein Vater, während sein Enkel Simon
Michor (Bürgermeister der Gemeinde Emmersdorf/
Smerče) bei den Landtagswahlen 1909 als (deutsch-)
liberaler Kandidat zum Landtagsabgeordneten gewählt
wurde. Millonigs Enkel Alois Millonig (1869–1937) und Millonigs Urgroßneffe Filip (Philipp) → Millo-
nig waren Bürgermeister von Hohenthurn/Straja vas.
Von den deutschtümelnden, d. h. aktiv antislowe-
nischen Abgeordneten slowenischer Herkunft (slow.
nemškutar) sind insbesondere Matthias → Abuja und
Johann → Seebacher bekannt, ebenso Hans → Fer-
litsch (→ Deutschtümler). Matthias Abuja bezeich-
nete sich in der Landtagssitzung vom 19. Jänner 1888
im Rahmen der Diskussion um slowenische Grund-
bucheintragungen selbst als Slowene, lehnte aber die
entsprechende Forderung der slowenischen Kollegen
im Landtag ab.
Auch Jakob → Lutschounig (1848–1934) Reali-
tätenbesitzer und Landwirt aus Untertöllern/Spod-
nje Dole bei Maria Rain/Žihpolje, Bürgermeister von
Maria Rain/Žihpolje, Reichsratsabgeordneter 1911
(Deutscher Nationalverband [Deutsche Arbeiterpar-
tei]) und Mitglied der Provisorischen Nationalver-
sammlung 1918/1919, reiht sich als Kärntner Slowene,
wie er sich selbst apostrophiert, nahtlos in diese Liste.
Franc → Grafenauer erachtete (Svoboda 1951 : 61)
als wahre »Verräter des eigenen Volkes«, als »unterwür-
fige Knappen« und als »deutsch-dressierte Abgeord-
nete – Deutschtümler« im Landtag die Abgeordneten
Martin Fischer/Fišer (Wahlkreis Landgemeinden
Tarvisio/Tarvis/Trbiž, Arnoldstein/Podklošter), Simon
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55