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Adelssprache
in der Goldenen Bulle nicht berücksichtigt waren, re-
klamiert sich Rudolf IV. mit einer Fälschungsurkunde,
dem Privilegium Maius 1358/59, hinein, das Kaiser
Friedrich III. 1453 reichsrechtlich anerkannte. Die
Goldene Bulle behielt ihre formale Gültigkeit bis 1806.
Mit dem Tod von Ulrich II. 1456, dem letzten
→ Grafen von Cilli, verlieren die Slowenen das größte
und international ausstrahlende einheimische Adels-
und Fürstengeschlecht mit Stammsitz im slowenischen
Sprachraum, was durchaus auch als relevant für die slo-
wenische soziale Sprachgeschichte angesehen wird.
Mal führt den Bericht des Kanzlers des Patriar-
chen von → Aquileia an, wonach Omelia, die Gattin
des Burgherrn Hartmann Hollenegger auf dem
Monsberg, ebenso gut deutsch wie slowenisch sprach
(dabei handelt es sich wohl um den Reisebericht des
Paolo → Santonino aus 1487 und dessen Besuch bei
Hartmann Holleneck [Holleneg] und dessen Frau
Amalia auf Schloss Majšperk [dt. historisch Monsberg]
in der heute slowenischen Štajerska [im Dravinjatal]).
Für Kaiser Maximilian I. (1459–1519), der seine
Kindheit teilweise in Finkenstein/Bekštanj verbrachte,
führt Domej, Simoniti folgend, Hinweise an, dass
auch er des Slowenischen mächtig war. In seinem
Gefolge gab es am Hof einige bedeutende sloweni-
sche Humanisten. Dessen kaiserlicher Sekretär Paulus
Oberstein (ca. 1480–1522) sprach vom Slawischen/
Slowenischen als einer Sprache, die mehr als alle an-
deren verbreitet sei (lingua Sclavonica omnium aliarum
latissima), und Simoniti weist weiters darauf hin, dass
Kaiser Maximilian I. »von seinem Höfling Ober-
stein die Erstellung eines Wörterbuchs verlangte, da-
mit er Slowenisch vollständig erlerne« (→ Immersion).
Zu diesem Kreis der Humanisten zählt auch Georg (Ju-
rij) → Slatkonja (1456–1522), zwischen 1513 und
1522 erster residierender Bischof von Wien, der 1498
die Hofkapelle gründete. Sigismund von →
Herber-
stein (1486–1566) ist einer der zahlreichen Leiter
diplomatischer Missionen an den russischen Zarenhof,
die aus dem slowenischen Sprachraum stammten, de-
nen gerade die Kenntnis des Slowenischen zum Vorteil
gereichte. Ebenso war Johann Cobenzl (Janez Ko-
bencl) 1575–1576 wegen seiner Slowenischkennt-
nisse (so Košir) Gesandter von Kaiser Maximilian
II. (1527–1576) am Hofe von Ivan dem Schreckli-
chen. Die durchaus politisch motivierte Ideologie des
→ ›windischen‹/slowenischen Herzogtums Kärnten/
Koroška (→ Windische Ideologie), die von den Kärnt-
ner Landständen im 16. Jh. kultiviert wurde, bestätigt die selbstverständliche gesellschaftliche Stellung des
Slowenischen im Land. Diese war die Grundlage dafür,
dass die Landstände von Kärnten/Koroška, → Krain/
Kranjska und Steiermark/Štajerska 1584 den Druck
der → Dalmatin-Bibel mit beträchtlichen Mitteln
finanzierten. Für den niederen Adel, der ständig im
geschlossenen slowenischsprachigen Umfeld, etwa in
Kärnten/Koroška lebte, ist Slowenisch ebenso selbst-
verständlich eine Alltagssprache, weil er sonst nicht mit
der Umgebung kommunizieren konnte. Zudem deuten
der slowenische Lehenseid Juramentum Slavonicum aus
der Zeit Kaiser Ferdinands III. (1608–1657), der
nach Domej für alle innerösterreichischen Länder galt
(→ Innerösterreich), ebenso wie der Gurker Lehenseid
aus dem Jahr 1653 darauf hin, dass das Slowenische
auch noch zu jener Zeit eine relevante Sprache im Adel
war bzw. »dass nicht der gesamte Adel der slowenischen
Länder deutsch sprechen konnte« (→ Eidesformeln).
Die → Übersetzungen von Patenten und Kurrenden
aus josephinischer Zeit oder die → Klagenfurter Markt-
ordnung in Deutsch und Slowenisch aus dem Jahr 1793
bestätigen nur, dass die Umgebung eben noch nicht
das Deutsche als →
Lingua franca angenommen hatte.
Gleiches bestätigen die überlieferten slowenischen
→ Eidesformeln. Und das deutet auf die Relevanz des
Slowenischen auch in allen Kontaktsituationen zwi-
schen den verschiedenen Gesellschaftsschichten hin.
Insgesamt bestätigt Domej jedoch die Tendenz zum
Aufkommen einer »sozialen« → Sprachgrenze.
Das Interesse für das Slowenische und seine Spre-
cher stieg im Adel bewusst erneut im 18. Jh. So ist die
Korrespondenz von Esther Maximiliana → Cora-
duzzi, geborene Prückenthal, bestehend aus 31
Briefen und Blättern, in slowenischer Sprache aus den
Jahren zwischen 1685 und 1700 erhalten. Wahrschein-
lich wurde sie in Neuhaus/Suha geboren und lebte dort
bis zu ihrer Verehelichung 1662. Sie korrespondierte
mit ihrer in → Trieste/Trst/Triest lebenden Tochter
Baronin Maria Isabella Marenzi über private Ange-
legenheiten. Teilweise kann man dies dem Geist der
europäischen Romantik zuschreiben, teilweise auch als
Reaktion auf die politische und verwaltungsmäßig ver-
stärkte Zentralisierung im Staat sowie der damit ein-
hergehenden Einschränkung der Vorrechte des Adels
und der Landesautonomien sehen. Der Adel zählte zu
den bedeutenden Trägern des Landesbewusstseins und
unterstützte deshalb auch die slowenische Landeskul-
tur, doch tat er nicht den Schritt von der Landes- zur
slowenischen nationalen Politik und entfernte sich zu-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55