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Agoritschach/Zagoriče
Dolenjska (Unterkrain), wo heute in der elterlichen
Mühle ein kleines Museum eingerichtet ist. Er wird
mit Recht der »Luther der Slowenen« genannt, weniger
wegen seiner theologischen Ableitung vom Witten-
berger Zweig der Reformation, denn auf ihn wirkten
anfänglich mehr noch die Schweizer Reformatoren in
Basel und Zürich, sondern vor allem weil er die bibli-
sche Botschaft seinem »Krainerischen Volk« nahebrin-
gen wollte (→ Protestantismus). Deshalb begann er mit
der Übersetzung der Evangelien in die Sprache seiner
Heimat. Den Anfang markierte freilich die Überset-
zung eines Katechismus von Martin Luther, mit dem
er überhaupt erst die slowenische Schriftsprache be-
gründete (→ Standardsprache). Sein »Catechismus in
der Windischenn Sprach (…)« von 1550 war das erste
in Druck gelegte slowenische Buch, von dem nur mehr
ein einziges Exemplar vorhanden ist und in der Ös-
terreichischen Nationalbibliothek verwahrt wird. Als
Domherr in Ljubljana schloss er sich der Reformation
an, in der Folge wurde er im Zuge der →
Gegenrefor-
mation vertrieben, musste zweimal fliehen (1548, 1565)
und fand in Württemberg Zuflucht. Im Amandenhof
in Urach hatte Hans → Ungnad von Sonnegg 1561
eine Druckerei für den südslawischen Bibeldruck (die
»Windische, Chrabatische und Cirulische Truckhe-
rey«) eingerichtet, um Slowenen, Kroaten, ja selbst die
Türken für die Reformation zu gewinnen. Zum Leiter
dieses Unternehmens mit ausgesprochen missionari-
schen Zielsetzungen bestimmte er Primus Trubar, der
als Pfarrer in Derendingen bei Tübingen eine Anstel-
lung fand.
In dieser enormen Kulturleistung, die zu seiner re-
formatorischen Sendung hinzutrat, liegt auch begrün-
det, warum Trubar in Slowenien so hoch geschätzt
wird und sein Antlitz nicht nur auf den seinerzeitigen
Tolarnoten abgebildet war, sondern nunmehr auch auf
der slowenischen Euro-Münze. Ihm zur Seite stand
Jurij → Dalmatin (1550–1589), sein Schüler, der die
Bibelübersetzung 1579 vollendete (→ Dalmatinbibel).
In A./Z. konnte die frühe slowenische Buchkultur
überleben, während sie anderwärts im Zuge der Ge-
genreformation untergegangen ist. Aus der (Bleiberger)
Kirchenchronik wissen wir, dass in A./Z. im Jahre 1790
mehr als zwanzig verschiedene slowenische Reforma-
tionsdrucke vorhanden und in Gebrauch waren (dazu
kommt noch die aus dem 18. Jh. stammende sloweni-
sche →
Liederhandschrift →
Sadnikerjev rokopis). Da-
runter befand sich die slowenische Bibelübersetzung
von Jurij → Dalmatin, gedruckt 1584 in Wittenberg, und die Übersetzung des Kleinen Katechismus von
Martin Luther von 1580, Letztere ist nur mehr in
einem Exemplar vorhanden. Es handelt sich also um
ausgesprochene Raritäten und Unikate der Reforma-
tionsgeschichte, die jedenfalls die These erlauben – sie
wurde vom maßgeblichen Truber-/Trubar-Forscher
Oskar → Sakrausky (1914–2006), dem späteren Bi-
schof der Evangelischen Kirche, entfaltet –, dass sich
in dem einschichtigen A./Z. in den Jahren der Ge-
genreformation ein slowenischsprachiger Kryptopro-
testantismus halten konnte. Gespeist wurde er durch
das erwähnte reformatorische Schrifttum in sloweni-
scher Sprache, das über geheime Wege (»der Weg des
Buches«) in Fässern verpackt, zumeist ungebunden
als Konterbande durch zuverlässige Speditionen nach
Kärnten/Koroška gelangte ; → Villach/Beljak war ein
ausgesprochener Umschlagplatz für die südslawische
reformatorische Literatur.
Als 1781 das josefinische Toleranzpatent den Aka-
tholiken ein Privatexerzitium ihres Glaubens ermög-
lichte, da meldeten sich auch in den beiden Ortschaf-
ten A./Z. und Seltschach/Sovče bis Juni 1782 120
Personen zum »tolerierten Glauben« (→
Josephinis-
mus). Es handelte sich um ehemalige Untertanen des
Benediktinerstifts Arnoldstein/Podklošter, das kurze
Zeit später im Zuge der josephinischen Klosterreform
aufgehoben wurde (→ Arnoldstein/Podklošter, Klos-
ter). Es wurden Glaubensverhöre durchgeführt, um die
Rechtmäßigkeit des Konversionswunsches zu überprü-
fen. Nach Ablauf der Übertrittsfrist im Dezember 1783
musste sogar ein katholischer Religionsunterricht ab-
solviert werden, bevor der Übertritt genehmigt wurde.
Die römisch-katholische Kirche war nicht gewillt, die
Übertritte einfach hinzunehmen, sondern unternahm
alles, um diese einzuschränken und die Akatholiken
abzuschrecken. Trotzdem konnte die erforderliche
Seelenzahl erreicht und ein Toleranzbethaus »auf dem
Wurianischen Grunde« errichtet werden. Im Stadel des
Georg Wurian war schon am 21. Dezember 1783
der erste Gottesdienst gefeiert worden. A./Z. wurde
als Tochtergemeinde an die Toleranzgemeinde von
Bleiberg angeschlossen, seit 1969 gehört es zur Pfarr-
gemeinde von Arnoldstein/Podklošter. Das Bethaus
wurde am 18. Sonntag nach Trinitatis 1785 eingeweiht,
der aus Württemberg stammende Pastor von Bleiberg
hielt seine Einweihungsrede sogar in »wendischer«, d. h.
slowenischer Sprache (→ windisch). Infolge der räum-
lichen Entfernung von der Muttergemeinde Bleiberg
konnte in A./Z. nur jeweils am ersten Sonntag des Mo-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55