Seite - 81 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Altbairisch
sprache war Latein. Geschrieben wurde nur in den
Skriptorien der Klöster. Die drei alt-Glottonyme sind
als Anfang möglicher Literatursprachen nicht gleich-
wertig (→ Glottonyme). In Baivaria/Baiern (→ Ba-
goaria) gibt es im Gegensatz zum Alemannischen und
Fränkischen fast nur lateinische Texte (lex Baivariorum,
conversio Baivariorum et Carantanorum, notitia Arnonis,
codex millenarius, liber confraternitatum, vita Corbiniani,
u. a.). Altalemannisch und Altfränkisch haben deutlich
mehr eigene Literatur. Die Anfänge der bairischen Li-
teratur (= Literatur in Baiern) sind überwiegend latei-
nisch. Alles »andere« sind einzelne Wörter und Namen
der »Volkssprache«. Das kann je nach Region auch ein
romanischer oder slawischer Dialekt der linguae vul-
gares, ein vulgare vocabulum der gesprochenen Sprache
sein. A. ist vor allem die gesprochene Sprache in Bai-
varien an Salzach/Ivaro und Inn/Aenus im Großraum
→
Salzburg (ausgenommen in den ladinischen Sprach-
inseln), und später allmählich im heutigen Ober- und
Niederbayern, in Österreich (ausgenommen Vorarlberg
und die slowenischsprachigen Regionen) und in Süd-
tirol. Der potenzielle bairische Sprachraum ist mit der
Ausdehnung des Erzbistums Salzburg (seit 798) iden-
tisch. Als Sprache ist A. ein kreolischer Typ aus La-
dinisch (→ Altladinisch) und Alemannisch. Bischof
Arbeo von → Freising verfasst 760 den viel zitierten
Abrogans, ein lateinisches Wörterbuch mit Überset-
zungsversuchen ins A. Die wenigen altbairischen Texte
sind meist wörtliche Übersetzungen aus dem Lateini-
schen wie das Vater unser (mit lateinischer Wortstellung
pater noster), eine confessio generalis, eine adhortatio zum
Glaubens- und Sündenbekenntnis.
Von Anfang an hießen Bairisch, Alemannisch, und
Fränkisch im lateinischen Kontext lingua teodisca (von
alteuropäisch teut- »das Volk«, Adjektiv teutisk »das
Volkliche« = nicht lateinische), später deutsch. Italie-
nisch tedesco erinnert noch daran. Die Franzosen ha-
ben sich für allemand nach den benachbarten Aleman-
nen entschieden, die Slowenen für nemško nach einem
nicht näher bekannten Stamm Nemeti in Pannonien
(literaturüblich von slawisch nem- »stumm«). Nur die
Engländer blieben bei Germans (lat. germani), indem
sie dutch auf das Niederländische reduzierten. Die
»mittelhochdeutsche« Literatur besteht überwiegend
aus altbairischen Dialekten mit spezifischen Idiolekt-
Merkmalen (→ Minnesänger).
In Baivaria/Salzburg wurde unter → Virgil la-
dinisch (Eigenbezeichnung ladin) und bairisch (lat.
teodisce, Eigenbezeichnung diutsch) gesprochen. In Karantanien ladinisch und slowenisch (lat. sclavanisce,
Eigenbezeichnung slovenje). Es gab also Mehrspra-
chigkeit und Sprachprobleme. Manche suchten auch
nach irischen Einflüssen. Außer dem Kulturwort für
die »Glocke« in Form der rechteckigen Kuhglocke (die
Römer hatten keine Glocken) irisch clog, bretonisch
kloc’h, englisch clock, dazu das ladinische Deminutiv
clocul/glogul, altslowenisch glagol (→ Glagolica), bai-
risch Klachl/Glachl »Glockenschwengel«, Glöckler, gibt
es kaum Hinweise.
Wahrscheinlich hat man im 8. Jh. in Karantanien
noch kein Bairisch verstanden. Die Salzburger Mönche
konnten nicht Slowenisch. Erst Erzbischof Adalwin
(† 873) soll in den pannonischen Gebieten, östlich von
Karantanien (→ Kocelj), slowenisch gepredigt haben.
→ Virgil schickt nach Karantanien Priester, die ihrem
Namen nach (→
Modestus, Maioranus, zwei La-
tinus) Ladiner (→
Walchen) waren. Ladinisch war die
erste Kontaktsprache zwischen Baivarii/Salzburgern
und Karantanern, vielleicht auch auf dem → Chiem-
see mit den slowenischen Fürstensöhnen Carastus/
Gorazd, Cheitmar/Hotimir und dem ladinischen
Priester Lupo. In Karantanien gab es offenbar damals
noch Ladinischsprachige. Die christlichen Termini
(→ Terminologie) des → Karantanerslowenischen sind
eindeutig ladinisch (→ Altladinisch). Das geht auf die
zweisprachigen ladinischen Mönche von Salzburg und
die → zweisprachigen einheimischen Karantaner zu-
rück. In dieser Mehrsprachigkeit entsteht in Karanta-
nien, 100 Jahre vor Method, unter Virgil († 784) der
älteste slowenische Text : die → Freisinger Denkmäler,
das sind drei slowenische Texte in einem lateinischen
Missionshandbuch nach altbairischen (literaturüblich
althochdeutschen) Vorlagen. Einige Salzburger ladini-
sche und bairische Priester haben Slowenisch gelernt,
einige Karantaner Bairisch. Vermutlich ist der Autor
ein zweisprachiger Karantaner mit frühchristlichem
Hintergrund. Ebenso entstanden für den Gottesdienst
und die Seelsorge Übersetzungen von Gebeten (Vater-
unser) und Bibeltexten.
Das karantanische Gebiet wird später vom 10. bis 14.
Jh. durch zunehmend bairischen Grundbesitz (bei lan-
ger → Zweisprachigkeit, im Süden Kärntens bis heute)
zulasten des Slowenischen sprachlich baivarisiert.
Das Bewusstsein, dass Österreich (ausgenommen
das alemannische Vorarlberg) sprachlich auch bairisch
ist, hat sich seit der Monarchie verändert. In Ortsna-
men gab es noch die Unterscheidung zwischen Bairisch
und dem historischen Begriff für Slowenisch → Win-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55