Seite - 82 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Altbulgarisch
disch (Bairisch Graz und Windischgraz, Bairischgarsten
und Windischgarsten). In all diesen Fällen wird Bai-
risch heute nicht mehr verwendet. Umgekehrt geht
im Freistaat Bayern (und in Deutschland generell) das
Bewusstsein verloren, dass auch die Österreicher, abge-
sehen von den sprachlichen Minderheiten, historisch
Baiern sind und bairisch reden. Der wesentliche Unter-
schied zwischen bairisch/bayerisch wird nur noch in klei-
nen intellektuellen Kreisen und unter gut informierten
Sprachwissenschaftern gepflegt : Bayerisch ist das Ad-
jektiv zum Landesnamen Bayern. Seine Bewohner sind
die Staats-Bayern. Das y für den Staat/das Königreich
Bayern wurde 1825 von König Ludwig I. verordnet.
Der Dialekt ist (neben Fränkisch und Alemannisch)
bairisch. Die Österreicher sind historisch (mit den ge-
nannten Ausnahmen) Baiern, aber keine Bayern. »Baju-
warisch« ist eine unbegründete Erfindung der Germa-
nistik des 19. Jh.s (→ Bagoaria). Statt i-Bairisch wird
heute oft altbairisch verwendet.
Lit.: H. Eggers : Deutsche Sprachgeschichte I. Das Althochdeutsche. Ham-
burg 1963 (rowohlts deutsche enzyklopädie 185/186) ; W. Mayert-
haler : Woher stammt der Name ›Baiern‹ ? In : Das Romanische in den
Ostalpen. Hg. D. Messner. ÖAW Philosophisch-Historische Klasse.
SB 442, Wien 1984, 7–72 ; O. Kronsteiner : »Alpenromanisch« aus sla-
wistischer Sicht. Ebd. 1984, 73–93 ; Die Bajuwaren. Von Severin bis
Tassilo 488–788. Gemeinsame Landesausstellung des Freistaates Bay-
ern und des Landes Salzburg. Hg. H. Dannheimer und H. Dopsch.
Salzburg 1988 ; E. und W. Mayerthaler : Aspects of Bavarian Syntax or
Every Language Has at Least Two Parents. In : Die Slawischen Sprachen
35 (1994) 53–111 ; O. Kronsteiner : Waren in der Salzburger Kirchen-
provinz schon vor Method Teile der Bibel ins Altslowenische übersetzt ?
In : Die Slawischen Sprachen 53 (1997) 19–36 ; O. Kronsteiner : Ladi-
nisch, das Romanisch des Alpenraums. In : Nichts als Namen. Ljubljana
2003, 99–107.
Otto Kronsteiner
Altbulgarisch → Altkirchenslawisch.
Altkirchenslawisch. Literaturübliches → Glotto
nym
für die Sprache der Bibelübersetzung (beendet 882 im
castrum Chezilonis in Moosburg/Zalavár) durch Ky-
rill/Method (→ Methodvita) und der davon erhal-
tenen Abschriften in glagolitischer (→ Glagolica) und
kyrillischer Schrift. Spätere Abschriften und andere
(nicht biblische) Texte werden meist unexakt auch als
kirchenslawisch (→ Sprachgattungen) bezeichnet, wie-
wohl sie nicht für den kirchlichen Bereich bestimmt
waren. Allgemein wird damit eine schriftliche Sprach-
form bezeichnet, für die je nach nationaler Interpreta-
tion der Geschichte der eigenen Literatursprache an die 50 verschiedene Glottonyme in Umlauf sind. Sla-
wistisch am (dialektgeografisch und kulturhistorisch)
korrektesten wäre in den meisten Fällen altbulgarisch,
was aber außerhalb Bulgariens, bei nicht bulgarischen
Slawisten, unüblich ist (ausgenommen die deutschspra-
chigen Slawisten Leskien, Aitzetmüller, Kron-
steiner). Daher auch die Glottonyme altrussisch
(drevnerusskij) in der russischen Slawistik, altserbisch
in der serbischen und altukrainisch in der ukrainischen
für ein und dieselbe Sprache (Methodbibel). Als Syn-
onyme für A. werden besonders in Kroatien starosla-
venski »altslawisch« verwendet, in der russischen Rus-
sistik slavjanskij »slawisch«, in Serbien slavenski (aber
slovenački für slowenisch). Dieses A. erfuhr ab dem 12.
Jh. beim oftmaligen Abschreiben regional verschiedene
phonetisch/orthografische Veränderungen (litera-
turüblich Redaktionen). Die Bezeichnung slawisch sollte
suggerieren, dass es die Kirchensprache aller Slawen
war, was zumindest auf die lateinschriftigen Slawen
und die 100 karantanerslowenischen Jahre vor Kyrill/
Method nicht zutrifft. Diese Terminologie ist Ergeb-
nis einer die gesamte Slawistik beherrschenden ideo-
logischen damnatio memoriae : die Verschweigung von
hundert Jahren äußerst aktiver Salzburger Missionstä-
tigkeit in → Karantanien und Pannonien vor den bei-
den »Slawenaposteln« (vor 863, → »pannonische The-
orie«). Der Schüler und Nachfolger Miklosichs im
Wiener Institut für Slawistik, der Kroate V. Jagić, hat
1886–1908 international erfolgreich über seine Zeit-
schrift → Archiv für slavische Philologie das Konzept
und die Terminologie seines slowenischen Lehrers und
Vorgängers Miklosich abgeändert in altslawisch/sta-
roslavenski mit der Suggestion, das literarische Leben
der → Slawen beginne erst mit Kyrill/Method ab
863 im »Großmährischen Reich« (Mähren, Slowakei,
Böhmen), nicht mit dem (vermeintlich) »deutschen«
→ Salzburg (→ Altladinisch), sondern mit dem glago-
litischen Schrifttum (Glagolica). Dies gilt in der Folge
ebenso für die gesamte in Wien wirkende tschechische
und slowakische Slawistik. Die Freisinger Denkmäler
seien eine lateinische Transliteration aus dem (glagoliti-
schen) »großmährischen« Kulturraum (so ursprünglich
auch → Isačenko). Warum Jagić wider besseres Wis-
sen diese Interpretation initiiert hat, bleibt ungeklärt.
Offensichtlich passen die ersten hundert Jahre (→ Ka-
rantanerslowenisch) nicht ins glagolitisch-kroatische
Geschichtsbild. Die viel diskutierte Frage der Existenz
eines »großmährischen Reichs« spielt eine zusätzliche
Rolle. Zahlreiche auffällige Ladinismen (→ Altladi-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55