Seite - 86 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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»Altslowenen«
im pannonischen Raum im Zusammenhang mit des-
sen bulgarischer/makedonischer sprachlicher Herkunft
sah, verwendete durchwegs den Begriff »Altbulgarisch«.
Erst nach dem Tod Miklosichs (1891) setzte sich der
Begriff Altkirchenslawisch allmählich durch.
Miklosich begründet seine Begriffsbestimmung
des A., wenn auch anhand eines damals noch unvoll-
ständig vorhandenen Quellenmaterials, aufgrund der
Selbstbezeichnung, wo die Sprache noch ausschließlich
›slověnski‹ heißt und nicht etwa ›bulgarisch‹, so etwa
im Jahr 880 bei Papst Joannes VIII litterae sclavenis-
cae oder bei Kliment von Ohrid. Dabei verwendet
Miklosich, »um Missverständnissen« vorzubeugen,
statt den transliterierten ›slovenisch‹ den Begriff A. Im
Serbischen heißt bis heute slawisch slovenski ›slověnski‹
und slowenisch slovenački.
Erst in der späteren Rezeption der insgesamt bahn-
brechenden Forschungstätigkeit im Sinne eines fächer-
übergreifenden, transkulturellen und integrativen Wir-
kens von Miklosich, wurden, nicht zuletzt aufgrund
der zweifelhaften Rolle Jagićs und exklusivistischer
ethnonationaler Ansätze, die konzeptuellen Errun-
genschaften in Zweifel gezogen, ohne die jedoch die
bis heute maßgeblichen Ergebnisse aus Miklosichs
Werken wie das Lexicon Paleoslovenico–Graeco–Latinum
(Wien 1862) und das Etymologisches Wörterbuch der
slavischen Sprachen (Wien 1886) nicht denkbar wären.
(→ Altslowenisch)
Quellen : F. Miklosich : Vergleichende Lautlehre der slavischen Sprachen.
Wien 1852, VI-VII ; F. Miklosich : Lexicon Paleoslovenico – Graeco –
Latinum. Wien 1862 ; F. Miklosich : Etymologisches Wörterbuch der sla-
vischen Sprachen. Wien 1886 ; F. Miklosich : Altslovenische Formenlehre
in Paradigmen mit Texten aus glagolitischen Quellen. Wien 1874, I, III,
VII f., IX, XIX, XXII.
Lit.: S. Hafner : Geschichte der österreichischen Slawistik. In : Beiträge
zur Geschichte der Slawistik in nichtslawischen Ländern. Wien 1985,
62 ; M. Orožen : Fran Miklošič – raziskovalec slovankse obredne termi-
nologije. In : Miklošičev zbornik. Kulturni Forum Maribor. Maribor
1991, 137–162 ; K. Sturm-Schnabl : Der Briefwechsel Franz Miklosich’s
mit den Südslaven – Korespondenca Frana Miklošiča z Južnimi Slovani.
Maribor 1991, 484, Anm. 1 und 2 und 350, Anm. 1 ; K. Sturm-
Schnabl : Aktualnost Miklošičevega znanstvenega dela in misli. In : Jezi-
kovni zapiski 10/2 (2004) 19–46.
Bojan-Ilija Schnabl, Katja Sturm-Schnabl
»Altslowenen« (politische konservative Formie-
rung, 19. Jh.), →
Staroslovenci.
Altslowenisch, slow. staroslovensko, bezeichnet ältere
Formen des Slowenischen vor dessen moderner Nor- mierung (→ Standardsprache) durch Primož → Tru-
bar und der →
Bibel-Übersetzung von Jurij → Dal-
matin (→ Dalmatinbibel), d. h. ab dem Aufkommen
der ältesten, in der Lehre einhellig dem Slowenischen
zuzuschreibenden Texte, den → Freisinger Denkmä-
lern, die gleichzeitig eine grundlegende zivilisatorische
Neuerung darstellen (vgl. nach Kronsteiner hic loco
→ Karantanerslowenisch ; → Inkulturation ; → Kultur-
geschichte).
Mit der Prägung und literaturüblichen Verwendung
des Begriffspaares Kirchenslawisch/→
Altkirchensla-
wisch statt dem vormals durch Franz → Miklosich
geprägten → Altslovenisch kann nunmehr der Begriff
Altslowenisch (in der modernen Orthographie) als
Glottonym die Frühform des Slowenischen verstanden
bzw. verwendet werden. Dabei unterscheidet Orožen
zwischen dem Slowenischen des Alpenraumes (alpskos-
lovensko) vom Slowenischen des pannonischen Raumes
(panonsko slovensko) (→
Liturgiesprache) während etwa
B. → Grafenauer bezeichnenderweise das Begriffs-
paar Karantanerslawen/karantanski Slovenci [Karan-
taner Slowenen] verwendet. Mikhailov verwendet
seinerseits den Begriff frühslowenisch für die hand-
schriftliche Periode der slowenischen Sprache (XIV Jh. bis
1550).
Miklosich geht davon aus, dass sich die slawischen
Sprachen bereits vor dem 9. Jh. differenziert hatten,
wenn er meint, »Die annahme, dass noch im neunten
jahrhundert die slawischen völker eine einzige spra-
che redeten, hat viel verwirrung angerichtet.« (sic !)
(Formenlehre und Paradigmen. 1874 S. VIII). Demnach
waren schon in jener Zeit die slawischen Sprachen dia-
lektal getrennt, so auch die der Karantaner (→
Caran-
tani) und der pannonischen Slowenen/Slawen. Spätere
Prozesse von →
Ethnogenesen führten aufgrund von
feudal- und staatsrechtlichen Entwicklungen zu weite-
ren Differenzierungen und unterschiedlichen, teilweise
parallelen oder mehrfachen bzw. neuen territorialen
→ Identitäten.
Smole periodisiert die slowenische Sprachge-
schichte und dialektale Entwicklung. Sie identifiziert
ab dem Ende des 8. Jh.s in allen südslawischen Spra-
chen gemeinsame Veränderungen : Depalatalisierung
von Selbst- und Mitlauten, Verlust des Gegensatzes
zwischen vorderem und hinterem Selbstlaut, Liquida-
Metathese sowie die erste Veränderung, die der sog.
alpska slovanščina (das Slawische des Alpenraumes) die
Charakteristik eines westlichen südslawischen Dialek-
tes verlieh und die das Kajkavische und das Čakavische
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55